Engineering 4.0: Digitalisierung der Powertrain-Applikation

Mit einer durchgängigen Methodik schafft IAV die Voraussetzungen für eine effiziente RDE-Fahrzeugapplikation

Ab Ende 2017 gelten die neuen RDE-Regularien für Pkw, nach denen Emissionsgrenzen auch im realen Straßenverkehr in einem breiten Betriebsbereich des Fahrzeugs vorgegeben und sicher einzuhalten sind. Die Automobilhersteller müssen dadurch bei der Motorapplikation ein viel größeres Spektrum an Fahrsituationen abdecken. In Summe nimmt der Test- und Absicherungsaufwand erheblich zu, da sehr viel mehr Parameter als bisher parallel zu optimieren sind.

„Die Anzahl der auszuwertenden Daten explodiert im Vergleich zum heutigen Entwicklungsprozess, man kann hier schon von Big Data sprechen“, so Dr. Mirko Knaak, Senior-Fachreferent bei IAV. Um Struktur ins Datenmanagement zu bringen, hat IAV eine neue Systematik entwickelt, die alle Schritte des Applikationsprozesses in einer durchgängigen Methoden- und Toolkette bündelt. Das geht von der Erfassung der Daten über die Durchführung von Simulationen und Tests sowie die Auswertung der Ergebnisse bis hin zum Wissensmanagement in der Datenbank. „Wir können unseren Kunden damit ein Gesamtkonzept bieten, das schnell und effizient zu robusten Ergebnissen führt“, fasst Tobias Niewolik, Entwicklungsingenieur bei IAV, die Vorteile des Konzepts zusammen.

Automatisierte Datenverarbeitung und -auswertung

Den Kern der Datenverarbeitung und -auswertung bildet das Tool IAV Mara. Die Software verwaltet Messdateien und Analysekonfigurationen. Neue Messungen werden automatisch verarbeitet, und die Ergebnisse an die beteiligten Bereiche oder Teams verteilt. Das unterscheidet den neuen Ansatz von herkömmlichen Applikationsprozessen. Dort liefern die einzelnen Messungen zwar viele Werte, diese werden aber nicht zentral zusammengefasst und anderen beteiligten Applikateuren automatisiert zur Verfügung gestellt. Mit dem Ergebnis, dass zusätzliche Testreihen oder Simulationen durchgeführt werden, obwohl die Ergebnisse eigentlich schon vorliegen. „Mit unserem neuen Ansatz nutzen wir das Potenzial der vorhandenen Daten besser aus, schaffen Synergien und reduzieren den Entwicklungsaufwand drastisch“, erklärt Dr. Mirko Knaak.

Stellt ein Ingenieur beispielsweise fest, dass die Emissionen des Fahrzeugs in einer ganz speziellen Fahrsituation, etwa dem beherzten Tritt auf das Gaspedal nach einer Schubphase, aus dem Ruder laufen, kann er in sämtlichen Messungen des Applikationsprojekts nach vergleichbaren Ereignissen suchen. Auf Knopfdruck wertet IAV Mara diese Einzelevents oder auch ganze Zyklen aus der Datenbank automatisiert aus. Dabei werden individuelle Vorlagen verwendet, die ohne Programmierkenntnisse erstellt werden können. Das Programm bedient sich auch statistischer Modelle, was unter anderem bei der Untersuchung von OBD-Funktionen oder der Ergebnisstreuung von RDE-Tests durch die Fahrweise einen entscheidenden Mehrwert bietet. Über offene Schnittstellen ist zudem die Kompatibilität zu etablierten Entwicklungstools gewährleistet.

Für komplexere Problemanalysen hat IAV ein Machine Learning Tool entwickelt. Während IAV Mara Regeln benötigt, die von Experten geschrieben wurden, erkennen die Algorithmen im Machine Learning Tool Zusammenhänge in den Daten selbstständig und leiten daraus Schemata oder Parameterkombinationen ab, die für die Emissionsabweichungen beim problematischen Event ursächlich sind.

Eine weitere Anwendung ist die Erstellung von Worst-Case-Szenarien für die Validierung der RDE-Compliance. Dazu prüft das Tool die vorhandenen Datensätze automatisiert auf Situationen, die ein vergleichbares Verhalten zeigen. Aus diesen individuellen Manövern kann das Tool dann zahlreiche stochastische RDE-Zyklen erstellen.

Fernzugriff auf Prototypfahrzeuge

Prototypfahrzeuge sind während der Applikationsphase häufig nur in begrenzter Anzahl verfügbar. Die neue Methodik von IAV erlaubt eine sehr effiziente Nutzung der vorhandenen Prototypkapazitäten. Wenn ein Fahrzeug auf Testfahrt ist, können Entwicklungsingenieure von ihrem Arbeitsplatz aus mittels LTE-Mobilfunkverbindung auf das an Bord befindliche Messequipment zugreifen. Die IAV-Oberfläche auf dem Bürorechner loggt sich dazu in das Fahrzeugsystem ein. Tobias Niewolik: „Der Entwickler kann aus der Ferne beispielsweise spezifische Applikationsparameter ändern und die Auswirkungen auf die Messwerte online sehen. Das spart Zeit, Kosten und sorgt für eine bessere Auslastung der Prototypfahrzeuge.“

IAV setzt die neue Methodik bereits erfolgreich in Engineering-Projekten ein. „Der nächste logische Schritt bei der Optimierung des Entwicklungsprozesses wird die Einbindung des Internets der Dinge sein, bei dem immer mehr Bauteile des Fahrzeugs intelligent werden, sich vernetzen und mit anderen Systemen kommunizieren. Das liefert zusätzliche Daten, mit denen sich Verbrauch und Emissionen weiter reduzieren lassen“, gibt Dr. Mirko Knaak einen Ausblick auf die Entwicklungsmethodik der Zukunft.

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