Vorkammer-Zündung – kleiner Funke große Wirkung

27.04.2018  — 

IAV zeigt Potentiale und Lösungen für den Einsatz der Vorkammerzündung am PKW-Ottomotor Vorkammer-Zündung – kleiner Funke große Wirkung

Die Vorkammerzündung ist eine Schlüsseltechnologie, um Ottomotoren schrittweise effizienter zu machen. Eine Eigenentwicklung von IAV zeigt Kraftstoffeinsparungen von bis zu drei (passive Vorkammer) bzw. acht Prozent (aktive Vorkammer) im WLTC. Ein erstes Kundenprojekt läuft bereits, und auf dem 39. Internationalen Wiener Motorensymposium hat IAV die Lösung der Öffentlichkeit vorgestellt.

Was haben große, stationär betriebene Gasmotoren und die Motoren von Formel 1-Rennwagen gemeinsam? Beide nutzen die Vorkammerzündung! Bei den Gasmotoren sorgt die seit Jahrzehnten bekannte Technik für Wirkungsgrade von rund 50 Prozent. Auch Rennwagen profitieren davon und erzielen ihre enormen Leistungen mit relativ wenig Kraftstoff. Was läge also näher, als das Verfahren in Ottomotoren für normale Serienfahrzeuge einzusetzen?

IAV beschäftigt sich schon seit Jahren mit der Vorkammerzündung und hat einen Einzylindermotor mit dem Effizienz-Booster ausgestattet und ausgiebig getestet. Die Idee dahinter: Am Ort der Zündkerze wird im Zylinderkopf ein kleiner Raum abgetrennt, der etwa zwei bis drei Prozent des Kompressionsvolumens ausmacht und mit einer gelochten Kappe vom Hauptbrennraum abgetrennt ist. Bei einer passiven Vorkammerzündung gelangt das Gemisch während des Kompressionshubs durch diese Öffnungen in die Vorkammer und wird von der darin befindlichen Zündkerze entzündet. Bei einer aktiven Vorkammerzündung befindet sich eine zusätzliche Kraftstoffzumesseinrichtung in der Vorkammer (zum Beispiel ein Einspritz- oder Taktventil), die zu einem stöchiometrischen Gemisch an der Zündkerze führt. Diese Variante eignet sich besonders gut für Magermotoren.

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Stöchiometrischer Betrieb profitiert von geringer Klopfneigung

Nach der Zündung innerhalb der Vorkammer steigt der Druck in dieser schnell an, dabei wird die Funkenenergie um mehrere Größenordnungen vervielfacht und mehrere Fackelstrahlen schießen in den Hauptbrennraum. „Das führt zu multiplen Zündorten außerhalb der Mitte des Brennraums und bewirkt generell ein schnelles Durchbrennen und eine verringerte Klopfneigung bei Ottomotoren“, erklärt Marc Sens, Fachbereichsleiter Vorentwicklung Antriebsstrang Ottomotor bei IAV. „Dadurch kann man ihre geometrische Verdichtung erhöhen und so ihren Wirkungsgrad deutlich steigern.“

Besonders interessant ist die Vorkammerzündung für Magermotoren, die im Zusammenhang mit der Hybridisierung von Antriebssträngen eine wichtige Option sind. „In Zukunft wird der Verbrennungsmotor vor allem bei höheren Lasten betrieben, wo die Vermeidung des Klopfens sowie Realgas- und Wandwärmeverluste den Wirkungsgrad begrenzen“, sagt Dr. Emanuel Binder, Entwicklungsingenieur im Fach-bereich von Marc Sens. „Hier stellt das Magerbrennverfahren einen großen Entwicklungsschritt dar, wodurch der Wirkungsgrad des Ottomotors im Bestpunkt von heute in Serie befindlichen maximalen 38 auf 43 Prozent und mehr verbessert werden kann.“

Sichere und schnelle Verbrennung sowie niedrige NOx Emissionen bei Magermotoren

Bisher standen aber die schlechte Zündung und das langsame Durchbrennen des Gemischs sowie zu hohe NOx Emissionen dem Einsatz von Magermotoren im Weg. Diese Hindernisse beseitigt nun die Vorkammerzündung: Selbst bei hochverdünnten Gemischen – ob nun verdünnt mit Luft oder auch mit Abgas – garantiert die hohe Zündenergie, dass überall eine sichere und schnelle Verbrennung stattfindet. Im Falle der Luftverdünnung können homogen mager Gemische mit Luftverhältnissen deutlich über 2 gezündet und effizient verbrannt werden, was NOx Emissionen nahe der Nachweisgrenzen ermöglicht. Die Kombination aus Vorkammerzündung, Magermotoren und Hybridisierung könnte den Kraftstoffverbrauch von benzingetriebenen Fahrzeugen also spürbar verringern.

Auch Motoren nach dem Miller- oder Atkinson-Prinzip profitieren von der Vorkammerzündung: ihr üblicher Mangel an Turbulenz im Brennraum wird durch die zusätzlich Turbulenz der Jets aus der Vorkammer kompensiert. So wird auch hier eine sichere und schnelle Verbrennung ermöglicht und diese Brennverfahren können ihre Vorteile (zum Beispiel die geringeren Wandwärmeverluste) voll ausspielen. „Wir können mit der Vorkammerzündung sowohl heutigen Motoren als auch neuen Technologien einen Effizienzschub geben“, so Sens. „Sie erlaubt uns eine schrittweise Verbesserung des Ottomotors.“

Welches Potenzial in der Vorkammerzündung steckt, zeigen Versuche mit einem Einzylindermotor, der mit einer passiven oder einer aktiven Vorkammerzündung betrieben wurde. Bei der passiven Variante ging der Kraftstoffverbrauch im WLTC durch die höhere Verdichtung um bis zu drei Prozent zurück – und weitere Effizienzsteigerungen scheinen möglich zu sein. Die aktive Vorkammerzündung führte sogar zu Einsparungen von maximal acht Prozent im WLTC. „Diese Ergebnisse sind sehr vielversprechend“, berichtet Binder. „Und wir sehen weiteres Optimierungspotenzial, wenn man die Vorkammerzündung bereits bei der Gestaltung des Brennraums neuer Motoren berücksichtigt.“

Keine speziellen Zündkerzen erforderlich

Die Vorkammerzündung von IAV zeichnet sich durch einige Besonderheiten aus. Ein Teil der Vorkammer ist in den Zylinderkopf und das bestehende Kühlsystem integriert und erfordert keine speziellen Zündkerzen. Die Kappe mit den Überströmbohrungen hingegen ist als separates Bauteil ausgeführt. Die aktive Variante spritzt zusätzlich ein Gemisch aus Kraftstoff und Luft bei einem Druck von fünf bis zehn bar in die Vorkammer ein, während bei anderen Lösungen reiner Kraftstoff oder ein Zweitkraftstoff unter sehr hohen Drücken verwendet werden. „Das bereits außerhalb der Vorkammer aufbereitete Gemisch verringert in der Vorkammer die chemischen Verluste, die Wandbenetzung und die Emissionen von Kohlenwasserstoffen und Partikeln“, berichtet Sens.

Auch die passive Variante hebt sich von anderen Ausführungen ab: Sie arbeitet selbst bei niedrigen Lasten und Temperaturen zuverlässig und widerlegt damit Befürchtungen, dass das Verfahren nicht in allen Motor-Betriebspunkten funktioniert. Dem Einsatz der Vorkammerzündung steht damit nichts mehr im Weg – und zwar nicht nur in Gasmotoren und der Formel 1.

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