Cloudbasierte CO2-Reduktion beim Truck

EU-Projekt optiTruck will CO2-Emissionen deutlich senken – IAV entwickelt Optimierungsalgorithmen

Die EU hat ein ehrgeiziges Ziel: Bis 2050 sollen die CO2-Emissionen im Transportsektor um 60 Prozent im Vergleich zu 1990 sinken. Einen großen Schritt in diese Richtung wollen elf Unternehmen, Forschungseinrichtungen und Anwender im Projekt optiTruck gehen. Mithilfe von zehn Einzelmaßnahmen soll der Kraftstoffverbrauch eines Lkws mit konventionellem Diesel-Antriebsstrang im Idealfall um bis zu 20 Prozent reduziert werden. IAV entwickelt Optimierungsalgorithmen für den Betrieb des Motors und der Abgasnachbehandlungsanlage.

Es passiert jeden Tag unzählige Male überall in Europa: Ein Lkw-Fahrer steigt in seinen Truck, um Waren vom Produzenten zum Empfänger zu transportieren. Start und Ziel sind bekannt, ebenso der Liefertermin. Welche Route sollte der Lkw nehmen, um das Klima möglichst wenig mit CO2 zu belasten? Diese Frage ist nicht so leicht zu beantworten, weil neben der Fahrtstrecke auch der eingesetzte Truck, der aktuelle Verkehr und das Wetter einen Einfluss auf den Kraftstoffverbrauch haben.

Darum spielt im EU-Projekt OptiTruck die Cloud eine zentrale Rolle: Vor Beginn der Fahrt übermittelt der Logistiker wichtige Eckdaten wie Start und Ziel, Ladung sowie den Liefertermin an die Datenwolke, die aufgrund dieser Informationen eine Auswahl von alternativen Routen mit möglichst geringem CO2-Ausstoß ermittelt. „In die Berechnungen gehen neben dem Verkehr auch Fahrzeugparameter wie das Ladungs- und das Eigengewicht sowie der Lkw-Typ ein, aus dem man den Luft- und Fahrtwiderstand berechnen kann“, erklärt Oliver Dingel, IAV-Projektleiter für optiTruck. „Es gibt also nicht für jeden Truck die gleiche optimale Route – sie ist vielmehr für jeden Lkw individuell.“

Cloud und Lkw in ständigem Kontakt

Zudem kann sie sich jeden Tag ändern – nicht nur wegen der wechselnden Verkehrsverhältnisse, sondern auch wegen des Wetters: Wenn sich beispielsweise die Windrichtung dreht, verändert sich auch der CO2-Ausstoß auf den einzelnen Routen. Darum prüft die Software in der Cloud permanent, ob sich der Lkw noch auf der optimalen Strecke befindet, und sendet gegebenenfalls per Mobilfunk ein Update an den Fahrer. Umgekehrt hält der Truck die Cloud auf dem Laufenden und meldet zum Beispiel eine Gewichtsveränderung durch das (teilweise) Entladen der Ware an die Software. Lkw und Cloud stehen also ständig in Kontakt miteinander.

Die individuelle und verbrauchsoptimierte Sollgeschwindigkeit aus der Cloud dient als Input für einen erweiterten prädikativen Tempomaten. Dieser regelt die Fahrzeuggeschwindigkeit im Bereich des Sollwerts ein und berücksichtigt dabei die Verkehrssituation im direkten Umfeld des Fahrzeugs. Seine Steuersignale dienen wiederum innovativen Optimierungsalgorithmen als Eingabewerte, die die Leistungsanforderungen an den Motor und die Abgasnachbehandlungsanlage vorhersagen und deren Effizienz maximieren.

Optimierungsalgorithmen von IAV

Hier kommen die IAV-Experten ins Spiel. „Wir entwickeln die Optimierungsalgorithmen und implementieren sie auf einem Prototypen-Steuergerät, das später in ein Demonstrator-Fahrzeug eingebaut wird“, berichtet Dr. Dennis Jünemann. „Wenn der Lkw kurz vor einem Gefälle ist, können wir das Einschalten bestimmter Verbraucher wie etwa der Kühlung verzögern, weil in kurzer Zeit durch das Bergabfahren ohnehin kostenlos Energie zur Verfügung stehen wird.“

Auch die Abgasnachbehandlungsanlage kann durch intelligente Vorhersagen einen Beitrag zur CO2-Verringerung leisten: Steht eine längere Fahrt bergauf kurz bevor, kann man die Regeneration des DPFs (Dieselpartikelfilters) bis dahin verzögern – denn durch die hohe Lastanforderung steigt die Abgastemperatur. Selbst die Verbrennung im Dieselmotor soll bei optiTruck optimiert werden: Ein Algorithmus berechnet die Effizienz des SCR-Katalysator im Voraus, sodass die Rohemissionen des Motors daran angepasst werden können (zum Beispiel über die AGR-Rate). Dadurch lässt sich auf der CO2/NOx-Trade-off-Kurve ein minimaler Kohlendioxidausstoß erreichen.

Erster Demonstrator Ende 2018

Derzeit arbeiten die IAV-Experten an der Systemarchitektur ihrer Lösung, danach folgen die Spezifikation der Software und ihre Entwicklung mit MATLAB/Simulink. Insgesamt umfasst das Projekt optiTruck zehn Einzelmaßnahmen, die in Summe und unter idealen Bedingungen eine Kraftstoffeinsparung von bis zu 20 Prozent ergeben sollen. Ende 2018 wird ein Demonstrator-Lkw zur Verfügung stehen. Parallel dazu wird eine Simulation entwickelt, mit der ab Mitte 2018 einzelne Funktionen getestet und der Einfluss einzelner Optimierungsmaßnahmen abgeschätzt werden können.

optiTruck

Im EU-Projekt optiTruck arbeiten neben IAV der Lkw-Hersteller Ford Otosan, das ERTICO-ITS Europe (Koordinator), die Universitäten Aalborg, Leeds und Okan, das Hellenic Institute of Transport, die Forschungsinstitute ICOOR und ISMB sowie die Anwenderunternehmen Eliadis Transport und Codognotto Italia. optiTruck wird gefördert aus dem EU-Forschungsrahmenprogramm „Horizon 2020“, startete im September 2016 und läuft bis August 2019. Von den Gesamtkosten in Höhe von 5,3 Millionen Euro trägt die EU 4,5 Millionen Euro.

Weitere Informationen: www.optitruck.eu

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