Domänenwissen trifft auf Methoden- und Prozesswissen: Das Digital Lab als Freiraum für kreative Ansätze

„Das Mindset des gesamten Unternehmens ändern“

Im Digital Lab erprobt IAV neue Methoden und Arbeitsweisen. Matthias Schultalbers, Chief Digital Officer bei IAV, und Maike Ohmenzetter, Agile Master bei IAV, berichten über die Erfahrungen aus den ersten zwei Jahren, den neuen Innovationsprozess und die aktuellen Themen im Zukunftslabor des Unternehmens.

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Herr Schultalbers, Sie sind der neue CDO von IAV. Was haben Sie vor?

Schultalbers: Ich setze darauf, dass wir weiterhin über unser großes Forschungsnetzwerk aktuelles Wissen ins Unternehmen holen. Wir wollen den letzten Stand der Technik kennen und allen unseren Kollegen immer die neuesten Erkenntnisse zugänglich machen. Derzeit prägen viele neue Trends und immer kürzere Entwicklungszyklen unser Geschäft, weshalb wir auch agile Arbeitsweisen wie Design Thinking oder Barcamps im Unternehmen etablieren. Wir sind mitten in einer Weiterentwicklung von IAV und dabei bereits ein gutes Stück vorangekommen.

Welche Rolle spielt dabei das Digital Lab?

Schultalbers: Das Digital Lab dient uns als Plattform, um diese innovativen Themen und Arbeitsweisen ins gesamte Unternehmen zu tragen. Im operativen Geschäft ist es schwierig, neue Methoden und Prozesse zu testen und zu bewerten. Im Digital Lab können wir neue Arbeitsweisen, aber auch neue Technologien wie Künstlicher Intelligenz oder das Internet der Dinge erproben und für alle 8.000 IAV-Mitarbeiter nutzbar machen – und damit natürlich auch für unsere Kunden.

»Im Digital Lab können wir neue Arbeitsweisen, aber auch neue Technologien wie KI oder IoT erproben und für alle – Mitarbeiter und Kunden – nutzbar machen.«

Matthias Schultalbers — Chief Digital Officer

Ohmenzetter: Dabei spielt das Digital Lab eine Schlüsselrolle. Es ist ein Freiraum, in dem wir kreative neue Ansätze ausprobieren können und in dem auch eine besonders offene Fehlerkultur herrscht. Denn eines ist sicher: Die Welt um uns herum wird immer vielfältiger, die Herausforderungen komplexer. Das erfordert neue Kreativ- und Innovationstechniken. Im Digital Lab kommen darum Kollegen aus den IAV-Bereichen mit Spezialisten für neue Technologien und neue Arbeitsweisen zusammen. Experten aus den Domänen treffen zum Beispiel auf Experten für Künstliche Intelligenz oder agiles Arbeiten.

Wie ist das Digital Lab organisiert?

Ohmenzetter: Es gibt ein Kernteam von rund zehn Mitarbeitern. Darunter sind die Methoden-Experten, die sich zum Beispiel mit Künstlicher Intelligenz, Data Science, autonomen Systeme und Computer Vision auskennen. Andere Kollegen sind auf neue Prozesse wie agiles Arbeiten und Design Thinking spezialisiert. Neben diesem Kernteam sind immer etwa 20 Kollegen aus den IAV-Bereichen bei uns, die drei bis vier Monate im Digital Lab verbringen, um dort ihre Idee umzusetzen.

Wie kommt man als IAV-Mitarbeiter ins Digital Lab?

Ohmenzetter: Viermal im Jahr starten wir eine thematische Kampagne und laden alle IAV-Mitarbeiter ein, sich über eine Online-Plattform mit ihren Ideen bei uns zu bewerben. Die Pitch Session ist offen für alle IAV-Kollegen und hat immer um die 100 Zuschauer: Freiwillige, die sich dafür interessieren – jeder kann dabei sein! Die Jury entscheidet dann innerhalb dieser Session wer weiter kommt, bewertet also die vorgestellten Ideen. Danach werden die Gewinner zu Product Ownern ernannt und können unternehmensweit unter allen IAV-Kollegen Mitstreiter für ihr Team finden. Es folgt ein Probesprint von vier bis sechs Wochen, ein Review und die Entwicklung eines Minimum Viable Products (eines minimal funktionsfähigen Produktes/Services) – ständig begleitet von einem Scrum-Master aus dem Kernteam, der sie coacht.

Schultalbers: Dabei ist es uns sehr wichtig, dass auch die technischen Bereiche schon frühzeitig mit eingebunden sind. Die Bereichsleiter übernehmen als Management-Pate die Rolle von Sparringspartnern für die Projektteams. Schon während der Entwicklung und spätestens sobald das Minimum Viable Product verfügbar ist, entscheiden wir im Management von IAV, wie wir damit weiter verfahren wollen. Wir könnten beispielsweise ein entsprechendes Doktorandenprogramm aufsetzen oder direkt mit der Akquise beginnen.

Welche Kampagnen sind in diesem Jahr geplant?

Ohmenzetter: Eines der Themen ist „Automatisierung/Digitalisierung“. Es geht um die Frage, wo wir Routineaufgaben in der Verwaltung oder der Entwicklung automatisieren können, um effizienter und effektiver zu werden. In anderen Kampagnen geht es um die Bereiche „Non-Automotive“, „Powertrain“ sowie „Fahrzeug/Mobilität“. Das Interesse bei den Kollegen ist sehr groß: Wir haben jedes Mal deutlich mehr als 50 Vorschläge erhalten, von denen zehn für den Pitch ausgewählt wurden. Bei den Ideenvorstellungen waren rund 200 Kollegen als Zuschauer mit dabei, entweder live oder per Skype.

»Wir befinden uns mitten in einem fundamentalen Wandel, den wir mit dem Digital Lab aktiv mitgestalten.«

Maike Ohmenzetter — Agile Master

Viele der neuen Methoden und Arbeitsweisen stammen aus der IT-Welt. Sind diese Unternehmen der neue Maßstab für IAV?

Schultalbers: Natürlich beschäftigen wir uns mit den neuen Mitbewerbern. Das sind neben den IT-Unternehmen auch Start-ups aus dem Digitalbereich. Wir werden aber nicht einfach alles von ihnen übernehmen, sondern unseren eigenen Weg gehen. Denn im Vergleich mit diesen Unternehmen verfügen wir über eine einzigartige Methodentiefe und -breite. Wir kennen unsere Domänen sehr gut – jetzt kommt es darauf an, dieses Domänenwissen mit dem Methoden- und Prozesswissen aus dem Digital Lab zu kombinieren und diese Kombination in unsere Serienprojekte einfließen zu lassen. So werden wir noch besser in der Lage sein, optimale Lösungen für unsere Kunden zu finden.

Ohmenzetter: Wir befinden uns mitten in einem fundamentalen Wandel, den wir mit dem Digital Lab aktiv mitgestalten. Uns ist es wichtig, dass wir nicht als Insel im Unternehmen wahrgenommen werden, sondern eng mit der Technik vernetzt sind. Über Showcases machen wir die Digitalisierung in der Praxis erlebbar, und mithilfe unseres Netzwerks bringen wir sie in das gesamte Unternehmen. So nehmen wir alle Kollegen mit in die digitale Zukunft.


Das Interview erschien in der automotion 01/2020, dem Automotive Engineering-Fachmagazin von IAV. Hier können Sie die automotion kostenfrei bestellen.

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