E-Fuels: Kraftstoffe der Zukunft
Wie lassen sich Treibhausgase im Verkehr nachhaltig senken? Die Autoindustrie setzt auf E-Mobilität, aber es wird dauern, bis sich E-Fahrzeuge im Markt durchsetzen. Experten sind sich einig, dass es nur mit einem Bündel von Maßnahmen gelingen kann, die gesetzten CO2-Reduktionsziele zu erfüllen. Eine wichtige Rolle spielen synthetische Kraftstoffe, sogenannte E-Fuels, so die Nationale Plattform Zukunft der Mobilität (NPM) in ihrem jüngsten Bericht der Arbeitsgruppe Alternative Antriebe und Kraftstoffe für Nachhaltige Mobilität. Sie können mittels bestehender Infrastruktur bereitgestellt werden, verbessern die CO2-Bilanz der Flotten und könnten bei Substitution von fossilen Kraftstoffen eine CO2-neutrale Mobilität ermöglichen.
Mit Blick auf die neuen Klimaziele der Europäischen Union ist 2020 ein Jahr der Wahrheit – zum ersten Mal gilt der strenge 95-Gramm-CO2-Richtwert. Welcher OEM die Emissionsnorm erfüllt oder verletzt, wird nun faktisch messbar. Wegen der fortschreitenden Elektrifizierung der Flotten und des damit wachsenden Strombedarfs ist es laut Experten umso wichtiger, die Energiewende zu beschleunigen und auf erneuerbare Energien umzustellen.
E-Fuels bieten die wichtige Möglichkeit, die CO2-Emissionen in der Bestandsflotte ohne Fahrzeugumrüstungen und unter Beibehaltung der heutigen Infrastruktur zu senken und somit Mobilität künftig unabhängiger von fossilen Brennstoffen zu machen. Sie befinden sich derzeit noch in der Pilot- und Entwicklungsphase, auch weil ihre Herstellung durch PtX-Verfahren (Power-to-X) noch sehr kosten- und energieintensiv ist.
Um E-Fuels nachhaltig zu produzieren, wird mit regenerativ erzeugtem Strom Wasser in seine Kernbestandteile Sauerstoff und Wasserstoff zerlegt. Letzterer reagiert in einem mehrstufigen Prozess mit aus der Luft entnommenem CO2 und bildet so das Basisprodukt, aus dem synthetische, strombasierte Kraftstoffe gewonnen werden können.
«Synthetische Kraftstoffe sind vielseitig verwendbar und können einen wertvollen Beitrag zur CO2-Reduktion der Bestandsflotte leisten[…]»
— Manager Business Consulting Fahrzeugantriebe bei consulting4drive
E-Fuels auf Basis von Wasserstoff
Wasserstoff kann mit CO2 zu gasförmigem Methan oder flüssigem Methanol oder synthetischen Otto- und Dieselkraftstoffen inklusive Kerosin (Power-to-Liquid) veredelt werden. Beim Verbrennen im Motor wird die Menge an CO2 ausgestoßen, die den E-Fuels vorher zugefügt wurde. Wird das Treibhausgas aus nichtfossilen Quellen wie z. B. der Luft entnommen, ist die Verbrennung klimaneutral.
E-Fuels können über das etablierte Tankstellen- und Pipelinenetz verteilt und dank ihrer hohen Energiedichte kostengünstig über lange Strecken transportiert werden. Sie eignen sich nicht nur für Pkw und ÖPNV, sondern vor allem für den Einsatz im Luft-, Schiffs- und Schwerlasttransport, wo Elektrifizierung aus heutiger Sicht nicht praktikabel ist.
„Synthetische Kraftstoffe sind vielseitig verwendbar und können einen wertvollen Beitrag zur CO2-Reduktion der Bestandsflotte leisten, die aufgrund einer durchschnittlichen Haltedauer von nahezu zehn Jahren auch mittelfristig eine erhebliche Rolle für unsere CO2-Emissionen spielt“, sagt Dr. Ralf Tröger, Manager Business Consulting Fahrzeugantriebe bei consulting4drive, der Management-Beratung von IAV.
Die technischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten von PtX-Kraftstoffen im Hinblick auf CO2-Reduzierung und -Neutralität stehen u. a. im Fokus der IAV-Tagung „Einspritzung und Kraftstoffe“ am 30. November bis 1. Dezember 2021 in Berlin.

Deutsche Energie-Agentur sieht wichtige Rolle für E-Fuels
Das Ziel der EU, die Pkw-Emissionen bis 2030 um 37,5 Prozent zu senken (bezogen auf das Durchschnittsziel von 95g CO2/km in 2020), macht schon heute den Aufbau von PtX-Kapazitäten notwendig, findet die Deutsche Energie-Agentur (dena).
„Wir gehen davon aus, dass Powerfuels inklusive H2 sukzessiv Marktanteile hinzugewinnen und über das Jahr 2030 hinaus eine große Rolle spielen werden und spielen müssen“, sagt Stefan Siegemund, Leiter Nachhaltige Mobilität und alternative Energieträger bei der dena. „Unter den bekannten Rahmenbedingungen ist es nicht absehbar, dass man selbst bei einem schnellen und erfolgreichen Hochlauf der vollelektrischen Mobilität auf flüssige synthetische Kraftstoffe wird verzichten können.“
Um das Potenzial von E-Fuels zu heben, sind jedoch legislative Änderungen nötig. Solange die EU an einer auf den reinen Fahrbetrieb (Tank-to-Wheel) fokussierten Betrachtung für CO2-Flottenemissionsziele festhält, fehlt Unternehmen der Anreiz, in Infrastruktur und Produktion zu investieren. Im Fahrzeugbetrieb emittieren die mit PtX-Kraftstoffen arbeitenden Motoren durchaus CO2, auch wenn dieses vorher aus der Luft entnommen wurde. Würde aber das bei der Kraftstoffherstellung aufgenommene CO2 legislativ berücksichtigt (Well-to-Wheel), könnte dies Investitionen nachhaltig fördern.
Grundsätzlich könnten E-Fuels mit Einschränkungen in beliebigen Mengen zu fossilen Kraftstoffen beigemischt werden, solange der Energieträger am Ende die jeweilige europäische Kraftstoffnorm (EN 590 für Diesel und EN 228 für Benzin) einhält. Eine industrielle Produktion von E-Fuels findet jedoch unter anderem wegen der für Investitionen relevanten, aber fehlenden EU-Vorgaben zur Ökostromnutzung, mangelnder politischer Förderung und hoher Herstellungskosten nicht statt.
Die NPM fordert in ihrem Bericht von Juni 2020, dass die politischen Rahmenbedingungen gesetzt werden müssen, um die Produktion alternativer Kraftstoffe auf breiter Ebene vorzubereiten. Um Markteinführung und -hochlauf zu ermöglichen, sollte die Bundesregierung spezifische Verwendungsquoten für E-Fuels einführen oder steuerliche Förderung gewähren, so die NPM.
Produktion im Ausland, um Kosten zu senken
Aufgrund der durch das komplizierte Produktionsverfahren erhöhten Kosten sowie fehlender Fördermaßnahmen ist mittelfristig noch nicht von einem Einsatz der E-Fuels im Verkehr auszugehen. In einem Forschungsbericht der Prognos AG im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) vom März 2020 wird für das Jahr 2030 mit einem Verkaufspreis von über 4,50 Euro je Liter E-Fuel kalkuliert. Das Thema Förderung, so das BMWi, steckt noch in der Prüfphase.
Erfolgreich können E-Fuels aber nur sein, wenn ihre Kosten deutlich sinken. Die dena schätzt, dass der Literpreis auf bis zu 1–2 Euro fällt, wenn E-Fuels direkt dort produziert würden, wo günstig erneuerbarer Strom generiert wird, z. B. durch Solarenergie in Nordafrika oder durch Windkraft in Norwegen.
Für den Klimaschutz wäre diese Option attraktiv. Eine umfassende Studie der IAV-Kollegen rund um Marc Sens, Fachbereichsleiter Vorentwicklung Antriebsstrang, zum CO2-Ausstoß der Pkw-Flotte in Europa auf Basis der Lebenszyklusbetrachtung zeigt, dass die Gesamtemissionen trotz steigender Neuzulassungen spürbar sinken, wenn man den fossilen Kraftstoffen vermehrt klimaneutrale Energieträger beimischt. Siehe hierzu auch die unten stehende Infografik „Vergleich des CO2-Ausstoßes in der Lebenszyklus-Betrachtung“.

„Die Einführung nahezu CO2-neutraler Kraftstoffe als Substitution für fossile Kraftstoffe oder als Blending in Raten von bis zu maximal 30 Prozent nach 2030 zeigt den mit Abstand größten Hebel auf das Lebenszyklus-CO2-Äquivalent“, sagt Sens. „Trotz des damit verbundenen hohen Energiebedarfs sollte auf diese Technik daher nicht verzichtet werden.“ Um eine Beimischungsquote von 30 Prozent umzusetzen, braucht es allerdings deutlich mehr legislativen Rückhalt als bisher.
Klar ist, wir brauchen Lösungen, die schon jetzt effektiv für CO2-Reduktionen sorgen, denn selbst bis 2050 wird es noch Marktsegmente und Einsatzszenarien geben, in denen Verbrennungsmotoren unverzichtbar sind. Diese müssen dann aber so sauber und effizient wie möglich betrieben werden – z. B. mit E-Fuels.
Der Artikel erschien in der automotion 02/2020, dem Automotive Engineering-Fachmagazin von IAV. Hier können Sie die automotion kostenfrei bestellen.