Ein E-Baukasten für alle Fälle

Vom Kleinstwagen über den SUV bis zum leichten Nutzfahrzeug: Wie man elektrische Antriebe kostengünstig entwickelt und konsequent auf die technischen sowie marktspezifischen Wünsche von Fahrzeugherstellern und Zulieferern ausrichtet, zeigt IAV mit der modularen Plattform für batterieelektrische Fahrzeuge. Auch Komponenten wie Batterien, Batteriemanagementsysteme und Inverter sind im Angebot.

Der Erfolg der E-Mobilität hängt entscheidend von der Kund:innenakzeptanz ab. Neben dem Komfort, der Performance und Nachhaltigkeit spielen die Kosten eine wichtige Rolle. An diesem Punkt setzt IAV an: „Wir haben uns die Frage gestellt, ob man mit einer einzigen batterieelektrischen Antriebsplattform die Wünsche der Kund:innen und die Anforderungen an eine ganze Flotte von E-Fahrzeugen (Battery Electric Vehicles, BEV) abdecken kann – vom Kleinfahrzeug über die Kompakt- und Mittelklasse bis hin zu großen SUVs und leichten Nutzfahrzeugen“, sagt Rene Kockisch, Teamleiter System Development Mechanics bei IAV. „Dafür haben wir unsere selbstentwickelten Tools IAV-Antriebsstrangsynthese und IAV Platform Optimizer genutzt. Mit Letzterem können wir bei Komponenten wie E-Maschinen, Getrieben und Leistungselektronik die bestmögliche Rasterung finden, sodass in der gesamten Flotte möglichst viele gleiche Teile zum Einsatz kommen.“
Als Ausgangspunkt für die Entwicklung der BEV-Plattform hat IAV die Eigenschaften und Leistungsmerkmale von sechs E-Fahrzeugen definiert.

Darunter befinden sich ein Kleinwagen mit 1.200 Kilogramm Gewicht, rund 380 Kilometern Reichweite und einer Maximalgeschwindigkeit von 180 Kilometern pro Stunde sowie eine Mittelklasselimousine mit 1.700 Kilogramm Gewicht, maximal 500 Kilometern Reichweite und einer Höchstgeschwindigkeit von 225 Kilometern pro Stunde. Das leichte Nutzfahrzeug bringt 2.500 Kilogramm auf die Waage, hat eine Reichweite von maximal 250 Kilometern und erreicht bis zu 160 Kilometer pro Stunde. „Das sind keine fiktiven Werte – sie entsprechen vielmehr den Kund:innenerwartungen und in vielen Punkten den Eigenschaften von am Markt bereits vorhandenen sowie in der Entwicklung befindlichen Fahrzeugen“, betont Kockisch. „Wir haben auch den Betrieb mit Anhänger berücksichtigt, weil das für viele Kund:innen wichtig ist.“

24 Millionen mögliche Konfigurationen untersucht

Nach Durchlaufen der Antriebsstrangsynthese und des Platform Optimizers entstand ein Spektrum aus drei Fahrzeugtopologien (Vorderrad-, Hinterrad- und Allradantrieb), drei Getrieben mit einem oder zwei Gängen, zehn E-Maschinen mit 100 bis 220 Kilowatt Leistung und 200 bis 350 Newtonmetern Drehmoment. Außerdem fünf Inverter mit drei oder fünf Phasen auf Basis von Siliziumcarbid-MOSFETs oder Silizium-IGBTs (Insulated Gate Bipolar Transistor). Die fünf Batterie-Varianten besitzen Kapazitäten von 42 kWh bis zu 115 kWh und arbeiten mit unterschiedlichen Spannungslagen. Für die BEV-Plattform wurden rund 24 Millionen Antriebsstrang-Konfigurationen untersucht.

«Mit dem daraus entstandenen modularen Baukasten können wir die Anforderungen der gesamten von uns definierten Flotte abdecken. Innerhalb der Fahrzeugklassen können wir ebenfalls variieren – beispielsweise beim SUV von der Low Cost-Lösung bis zur High Performance-Version.»

Rene Kockisch — Teamleiter System Development Mechanics bei IAV

Den auf Basis der Antriebsstrangsynthese definierten Kerneigenschaften auf Systemebene folgten intensive Arbeiten an den Antriebsstrangkomponenten von der Auslegung über das Design bis hin zur Optimierung, bei denen IAV auf eine langjährige Erfahrung zurückgreifen konnte. Mit Hilfe dieser Entwicklungskompetenz in gesamter Breite konnte eine effektive Entwicklung der gesamten elektrischen Plattform umgesetzt und Rückschlüsse sowie Auswirkungen auf Systemebene jederzeit transparent dargestellt werden.

Die BEV-Plattform steht seit Mitte 2020 zur Verfügung. „Wir sprechen bereits intensiv mit Kund:innen, die sich entweder für Subsysteme wie E-Maschine oder Getriebe interessieren oder auf der Suche nach Lösungen für ihre elektrischen Antriebsstränge der zweiten beziehungsweise dritten Generation sind“, berichtet Kockisch. „Mit unserer systematischen Herangehensweise und unseren Tools können wir auch die individuellen Anforderungen eines Herstellers berücksichtigen, indem wir auf unserer BEV-Plattform aufbauen oder den gesamten Prozess mit seinen Vorgaben neu durchlaufen. Dabei können wir Kund*innen von Anfang an begleiten sowie seine*ihre gesamte Plattform im Auge behalten.“

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Batterien mit Ökodesign

Mit der modularen BEV-Plattform hat IAV eine Grundstruktur definiert und gleichzeitig die Basis für weitere Entwicklungen geschaffen. Im Rahmen der Entwicklung entstanden dabei Sub-Plattformen für Batterie, Leistungselektronik, E-Maschine und Getriebe, welche aufeinander abgestimmt und für die gesamte Flotte einsatzbereit sind. Dabei wird ein Spektrum der Antriebssysteme für 400 Volt und 800 Volt mit Systemleistungen von 100 kW bis 440 kW eingesetzt. Auf Basis dieser Grundstrukturen arbeiten IAV-Expert:innen an neuen Lösungen, um die vielfältigen Anforderungen der E-Fahrzeuge von morgen und übermorgen zu erfüllen.

„Derzeit bauen wir eine modulare Leistungselektronik auf“, so Kockisch. „Ein eigenes IAV-Batteriemanagementsystem gibt es bereits, wir sehen aber auch hier großes Potenzial beim Thema Nachhaltigkeit.“ Während die Energiespeicher aktuell meist nur auf ein Leben ausgelegt sind, dürfte künftig ein Ökodesign gefragt sein, dass die Umweltbelastungen eines Produkts über den gesamten Lebensweg reduziert. „An neuen Batterien dieser Art arbeiten wir“, sagt Kockisch.

Der Artikel erschien in der automotion 02/2021, dem Automotive Engineering-Fachmagazin von IAV. Hier können Sie die automotion kostenfrei bestellen.

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