Es ist nicht leicht, Gewicht zu verlieren

Neue Werkstoffe, optimierte Topologien, integrierte Funktionen: IAV nutzt unterschiedliche Ansätze im Leichtbau

Leichtbau spielt bei IAV in vielen Bereichen eine große Rolle – im Karosseriebau ebenso wie im Cockpit oder bei den Fahrwerken. Ein kurzer Überblick über die verschiedenen Ansätze.

Karosserieentwicklung: Material- und Formleichtbau

In der Karosserieentwicklung dominiert bei IAV derzeit in der Großserie der Leichtbau mit hochfesten und warmumgeformten Stählen. Mit ihnen lässt sich das Gewicht der Karosserie um 10 bis 20 Prozent reduzieren, zudem sind sie vergleichsweise prozesssichere und relativ günstige Werkstoffe. „Wir setzen dabei auf eine Kombination aus Material- und Formleichtbau“, so Dr. Andreas Löffler, Fachbereichsleiter Exterieur und Leichtbautechnologie bei IAV. „Der große Vorteil der hochfesten Stähle: Die Materialeigenschaften und Werkstoffkennwerte sind bekannt und gut reproduzierbar.“ Wichtige Hilfsmittel sind Werkzeuge und Tools für die virtuelle Entwicklung und Absicherung in frühen Entwicklungsphasen, wie zum Beispiel die Topologieoptimierung, mit der sich Lastpfade optimieren lassen, was überflüssigen Materialeinsatz verhindert.

Interessant für die Karosserieentwicklung sind auch Komponenten aus Faserverbundwerkstoffen (FVK) oder hybride Bauteile aus FVK und Metallen. Neben ungenügenden FVK-Materialkennwerten und damit einhergehend der eingeschränkten Prognosegüte in der Simulation gibt es aber auch bei den Fügeprozessen und den neuen Materialpaarungen noch viele offene Fragen. Dafür ist ihr Potenzial in puncto Gewichtseinsparung deutlich höher: „Es liegt bei bis zu 40 bis 50 Prozent – allerdings bei deutlich höheren Kosten“, so Löffler. „Hinzu kommt ihre CO2-Bilanz über den gesamten Lebenszyklus. Sinnvoll ist der Einsatz von FVK nur, wenn die Gesamtbewertung der Einzelfaktoren wie zum Beispiel Gewicht, Kosten, Prozesse und Nachhaltigkeit (Life-Cycle-Assessment) in Summe dafür spricht.“

Mit CFK konnte IAV beispielsweise im Projekt Visio.M Erfahrung sammeln: Das Fahrzeug enthält ein Monocoque aus dem leichten Werkstoff, das mehrere Crashtests problemlos überstanden hat. Ebenfalls aus CFK wurde im Rahmen eines Eigenentwicklungsprojektes eine Frontklappe entwickelt, hergestellt und getestet. In der OHLF wird der Verbundwerkstoff ebenfalls eine wichtige Rolle spielen – intelligent kombiniert mit anderen Werkstoffen.

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Funktionsintegration im Cockpit

Auch die Cockpitgestaltung kann vom Leichtbau profitieren. „Ein Treiber ist das autonome Fahren, das das Lenkrad irgendwann überflüssig machen wird“, sagt Uwe Reske, Teamleiter Cockpitintegration und Tragstrukturen bei IAV. „Wir müssen den Innenraum schon heute langsam umgestalten, um die Kunden an die neuen Verhältnisse zu gewöhnen – etwa indem wir das Cockpit in Funktion und Aussehen stark verändern.“ Dadurch steht für die gleichen Funktionen weniger Bauraum zur Verfügung, was zu einer zunehmenden Funktionsintegration führt. Ein Beispiel dafür ist eine Cockpittragstruktur, die eine Symbiose in Funktion und Struktur eingeht. Durch intelligente Strukturen und den Einsatz neuer Materialien wie hybrider Sandwichmaterialien, Faserstrukturen, etc. können die Entwickler das Gewicht deutlich reduzieren. Reske: „Das Cockpit der Zukunft steht vor großen Herausforderungen, IAV ist mit dabei.“

TRE: Werkstoff- und Konzeptleichtbau

Die Experten der IAV-Tochter TRE (Team Rosberg Engineering) beschäftigen sich ebenfalls intensiv mit dem Thema Leichtbau. Sie haben beispielsweise die leichten Aluminiumstrukturen für den Visio.M gefertigt. „Im Vergleich zu Stahl sinkt das Gewicht zwar deutlich – allerdings nimmt bei manchen Legierungen beim Schweißen auch die Festigkeit stark ab, was eine nachträgliche Wärmebehandlung der Schweißbaugruppen erforderlich macht“, berichtet Axel Hoffmann, Leiter für Chassis-Entwicklung und -Prototypenbau bei TRE. Auch mit Verbundwerkstoffen wie CFK und GFK kennen sich die Experten aus: Sie haben bereits mehrere Batteriegehäuse und Teile für das IAV-Elektromotorrad aus diesen Verbundwerkstoffen hergestellt.

Neben dem Werkstoffleichtbau setzen sie auch auf den Konzeptleichtbau: Ein Beispiel ist die Entwicklung eines besonders leichten Schaltkastens für ein Hochvoltfahrzeug. „Das Originalgehäuse bestand aus Aluminium und hatte Halterungen aus Stahl“, so Hoffmann. „Wir haben die Halterung funktional in das Gehäuse integriert und das Ganze im Vakuum-Infusionsverfahren, verstärkt mit Aramidfasern, gefertigt. Durch die Kombination von Werkstoffleichtbau und Funktionsintegration ist das Gewicht von drei auf unter ein Kilogramm gesunken.“ Beim Bedingungsleichtbau spielt die genaue Kenntnis der Bauteilbelastungen die entscheidende Rolle. Durch eine detaillierte Simulation der Lastfälle können die Entwickler mithilfe einer Topologieoptimierung viele Kilogramm einsparen. Allerdings erfordert der Modellaufbau viel Erfahrung. Es ist eben nicht leicht, Gewicht zu verlieren.

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