Fahrerlebnis 4.0

Vernetzung, autonomes Fahren und Smartphone-Apps treiben die Entwicklung im Fahrwerk voran

Die Digitalisierung hat längst auch das Fahrwerk erreicht. Software ist ein wesentlicher Einflussnehmer auf das Fahrerlebnis und ermöglicht die Vernetzung der einzelnen Subsysteme. Das autonome Fahren und die Vernetzung der Fahrzeuge eröffnen völlig neue Möglichkeiten und verändern die automobile Wertschöpfungskette. Auch Endkunden profitieren von dieser Entwicklung: Neue Apps liefern ihnen Informationen, etwa über den Zustand der Reifen oder die Beladung ihres Fahrzeugs.

Wer bei Chassis und Fahrwerk nur an Hardware wie Lenkung, Bremsen oder Federung denkt, hat die Entwicklung der letzten Jahre nicht aufmerksam genug verfolgt. „Sensoren im Fahrzeug sind einer der größten Datensammler im Auto“, erklärt Simon Heine, Fachbereichsleiter Fahrwerk bei IAV. „Mittlerweile sind alle Stellglieder elektrifiziert und werden über Software angesteuert.“ Für die Automobilhersteller hat diese Entwicklung große Bedeutung, denn das Fahrerlebnis der Kunden hängt ganz entscheidend vom Fahrwerk ab und lässt sich dank der Digitalisierung situationsabhängig vorgeben – beispielsweise über die „Sport“-Einstellung.

Auch die Fahrsicherheit profitiert davon, denn dank ihrer Vernetzung können die Subsysteme des Fahrwerks bei technischen Problemen zusammenarbeiten: Ist etwa die Funktion der Lenkung reduziert, kann die Bremse unterstützend eingreifen. Und wenn das Fahrzeug in eine kritische Situation gerät, kann die Fahrwerkssteuerung aktiv auf die effektivste Komponente zugreifen und mithilfe von Lenkung, Bremsen und Federung wieder für Stabilität sorgen.

Präzise Straßeninformationen aus der Cloud

Völlig neue Perspektiven eröffnet die Vernetzung der Fahrzeuge miteinander. „Schon heute kann man beispielsweise Fahrzeugdaten und die Temperaturmesswerte nutzen, um im Winter die Oberflächeneigenschaften der Straße zu bestimmen“, berichtet Heine. „Allerdings sind diese Messungen immer mit einer gewissen Unsicherheit behaftet. In Zukunft könnte man die Daten vieler Fahrzeuge in der Cloud auswerten und so sehr präzise Informationen über den Zustand der vorausliegenden Strecke erhalten – etwa die Position besonders glatter Stellen.“ Über die Cloud auf einer Fahrsicherheitskarte vermerkt, ist dies ein echter Mehrwert für die Fahrer und eröffnet auch den Herstellern von Fahrwerkssystemen neue Geschäftsmodelle.

Eine grundlegende Veränderung der automobilen Wertschöpfungskette werden schon in wenigen Jahren das autonome Fahren und die veränderten Mobilitätsgewohnheiten der Kunden bewirken. Denn in Zukunft scheint der Besitz eines Fahrzeugs an Bedeutung zu verlieren – gefragt sind stattdessen vermehrt Mobilitätsdienstleistungen. „Wir erleben, dass derzeit viele Mobilitätsdienstleister mit selbst entwickelten oder individualisierten Fahrzeugflotten entstehen“, so Heine. „Da Fahrzeugentwicklung nicht ihr Geschäftsfokus ist, verfügen diese Unternehmen nicht über große Engineering-Teams, sodass gerade Entwicklungspartner wie IAV im Bereich Chassis stärker gefragt sein werden.“

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„Robotic Chassis“ für das autonome Fahren

Aufgabe von IAV ist es dann, komplette Chassis zu entwickeln und seinen Kunden damit eine Plattform für deren eigenen Service zur Verfügung zu stellen – etwa für das autonome Fahren. Daran arbeiten die IAV-Entwickler bereits: „Robotic Chassis“ lautet der Arbeitstitel des ambitionierten Projektes.

Weil kein menschlicher Fahrer mehr am Steuer sitzt und im Notfall die Kontrolle übernehmen kann, kommt es gerade hier auf absolute Zuverlässigkeit an. „Egal, was passiert: Ein autonom fahrendes Fahrzeug muss selbstständig und unter allen Umständen eine Gefahrensituation beherrschen können“, erklärt Heine.

Aber auch die heutigen Fahrzeugbesitzer und Fahrer werden zukünftig stärker von der Digitalisierung des Fahrwerks profitieren. Smartphone-Apps können beispielsweise über die eingebaute Handykamera die Beschriftung der Reifen erkennen und über den Abgleich mit einer Datenbank Informationen über das verwendete Modell liefern (zum Beispiel Testergebnisse). Auch eine Reifendiagnose ist möglich: „In diesem Fall erkennt die App mithilfe der Kamera, ob Reifen oder Felgen beschädigt sind“, erklärt Heine. „So lassen sich Beulen und Risse sowie das Alter und die Profiltiefe der Reifen erkennen.“

Handy-Beschleunigungssensoren identifizieren defekte Dämpfer

Die Erkennung von Zuladung oder Überladung eines Fahrzeugs soll ebenfalls bald per Smartphone-App möglich sein. „Sie erkennt automatisch den Fahrzeugtyp und berechnet aus der fotografierten Standhöhe die Beladung“, sagt Heine. „Falls nötig, gibt sie dem Fahrer einen Sicherheitshinweis – etwa, dass das Fahrzeug ungleichmäßig oder zu stark beladen ist.“

Und auch während der Fahrt sollen Apps künftig Informationen liefern: Bei der akustischen Fehleranalyse zeichnet das Handy über sein Mikrofon Störgeräusche auf und erkennt zahlreiche Probleme anhand ihrer Schallsignatur. Zusammen mit den Beschleunigungssensoren könnten so zum Beispiel defekte Dämpfer erkannt werden.

Da beim autonomen Betrieb mit wechselnden Fahrern bzw. Passagieren zu rechnen ist, verbleibt die Verantwortung für die Diagnose von Schäden beim Betreiber. Der kann dann rechtzeitig das Fahrzeug in die Werkstatt beordern und so Unfälle oder Stillstandzeiten vermeiden. IAV arbeitet bereits an solchen Apps – und treibt damit die Digitalisierung im Bereich Chassis und Fahrwerk weiter voran.

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