Für ein langes Kupplungsleben

Ungeplante Ausfälle von Nutzfahrzeugen kosten Geld – ein Problem insbesondere für Transportunternehmen, die meist mit geringen Umsatzmargen operieren. Eine wirksame Methode, um Laufzeiten von Maschinen zu optimieren, ist die vorausschauende Instandhaltung („Predictive Maintenance“). IAV hat hierzu einen Algorithmus entwickelt, der den „Gesundheitszustand“ trockener Fahrzeugkupplungen in automatisierten Schaltgetrieben ermittelt.

Die Kupplung ist das zentrale Bindeglied zwischen Motor und Getriebe – fällt sie aus, ist ein störungsfreies Anfahren und Wechseln der Gänge nicht mehr möglich. Umso wichtiger ist es, ihren Zustand kontinuierlich und präzise zu erfassen. Ein von IAV entwickelter Algorithmus nutzt dafür die serienmäßig vorhandenen Drehzahlsensoren an Motor- und Getriebeeingangsseite sowie das vom Motorsteuergerät geschätzte Drehmoment.

„Mit diesen Informationen können wir die Reibleistung pro Anfahrtsvorgang bestimmen, was eine Abschätzung des Materialabtrags und die Veränderung des Reibkoeffizienten der Anfahrkupplung ermöglicht“, erklärt Dr. René Knoblich, Fachreferent in der Abteilung Transmission und Hybrid Systems bei IAV. „Damit können wir vorhersagen, wann das Fahrzeug zur Wartung in die Werkstatt muss, und so unerwartete Ausfälle vermeiden.“

kupplung

Und nicht nur das: Weil der aktuelle Zustand der Kupplung bekannt ist, kann ein weiterer von IAV entwickelter Algorithmus das Anfahrverhalten beeinflussen und auf diese Weise sicherstellen, dass die Komponente eine vorgegebene Mindestlebensdauer erreicht. „Je nach Fahrstil oder Zuladung wird die Kupplung unterschiedlich belastet“, sagt Dr. Jörg Beilharz, Abteilungsleiter für Transmission und Hybrid Systems bei IAV. „Unser Algorithmus verhindert zum Beispiel besonders verschleißintensive Anfahrvorgänge. Somit werden negative Auswirkungen auf den Reibkoeffizienten reduziert und erhöhter Materialabtrag vermieden.“

Das Verfahren eignet sich besonders für kleine Nutzfahrzeuge, die die Logistik auf der „letzten Meile“ übernehmen und bei denen besonders viele Anfahrvorgänge auftreten. Auch eine Erweiterung des Ansatzes auf nasse Anfahrsysteme in schweren Lkw ist geplant.

Bereit für die Serienentwicklung

Das physikalische Modell hinter dem neuen Algorithmus beschreibt die Verschleißprozesse und basiert auf zahlreichen Prüfstandmessungen unterschiedlicher Kupplungen, die IAV gemeinsam mit der TU Berlin vorgenommen hat. Inzwischen ist die IAV-Lösung so präzise, dass einer Serienentwicklung nichts mehr im Weg steht. Dabei hilft den Entwicklern auch, dass die Rechenleistung moderner Steuergeräte mittlerweile ausreicht, um während des Fahrzeugbetriebs den Zustand der Kupplung permanent zu bestimmen.

„Zurzeit laufen der Schätz- und der Regelalgorithmus noch auf einem Prototypen-Steuergerät“, so Knoblich. „Im nächsten Schritt wollen wir die Software fit für ein Serien-Steuergerät machen.“

«Stillstandzeiten und Betriebskosten sind wichtige Themen im Nutzfahrzeugbereich. Wir sind sicher, dass die Nachfrage nach unserem neuen Algorithmus in absehbarer Zeit stark zunehmen wird.»

Dr. René Knoblich — Abteilungsleiter für Transmission und Hybrid Systems bei IAV

Der Artikel erschien in der automotion 01/2021, dem Automotive Engineering-Fachmagazin von IAV. Hier können Sie die automotion kostenfrei bestellen.

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