Grün & günstig: neues Antriebskonzept für nachhaltige Mobilität
Im Schwerlastverkehr gibt es für den Einsatz der mit Wasserstoff betriebenen Brennstoffzelle gute Gründe: Sie bietet hohe Reichweiten ohne CO₂-Emissionen. Dagegen setzen europäische Pkw-Hersteller nahezu geschlossen auf reine Elektroautos. IAV hat einen funktionalen Antriebsstrang mit Brennstoffzelle entwickelt, der den Durchbruch der umweltfreundlichen Technologie auch im Pkw-Verkehr ein Stück näherbringt.
Neues Brennstoffzellen-Konzept: nur drei Lastpunkte
Mit dem sogenannten LEAN-Brennstoffzellen-Antriebsstrang hat IAV ein Antonym entwickelt – die vollständige Bezeichnung „Low cost, Efficiency optimized, Attractive range and Non-complex“ beschreibt die Grundidee: Statt eine große Brennstoffzelle mit einer kleinen Batterie zu kombinieren, gehen die IAV-Ingenieure den entgegengesetzten Weg. „Wir setzen eine kleine Brennstoffzelle mit 40 Kilowatt Leistung ein – in aktuellen Brennstoffzellenfahrzeugen sind hingegen ungefähr 100 Kilowatt üblich“, so Backofen. „Als weitere Energiequelle dient beim LEAN-Konzept eine Batterie mit 22 Kilowattstunden Kapazität. Bei den derzeit erhältlichen Modellen sind eher Werte von zwei Kilowattstunden üblich.“
Durch diesen Ansatz lassen sich neben den Kosten sowie Package zwei weitere Vorteile generieren: eine deutliche Reduktion des Applikationsaufwandes und der Alterung der Brennstoffzelle. Dank der großen Batterie – die die dynamischen Anforderungen während der Fahrt abdeckt – lässt sich die Brennstoffzelle in nur drei Betriebspunkten betreiben (nahe am Leerlauf mit 4 kW, mittlere Last mit ca. 13 kW, volle Leistung mit 40 kW).
«So wird die Applikation deutlich vereinfacht und die dynamische Belastung der Brennstoffzelle stark verringert – was deren Lebensdauer erheblich verlängert.»
— Teamleiter für Fuel Cell Model-based Development bei IAV
Antriebskonzept für die Kompaktklasse
IAV hat die Leistungsfähigkeit des neuen Ansatzes an einem konkreten Beispiel untersucht. Ausgangspunkt war ein Fahrzeug aus der Kompaktklasse mit 1,6 Tonnen Gewicht, einer Höchstgeschwindigkeit von 160 Kilometern pro Stunde und einer Reichweite von 700 Kilometern im WLTP. Als elektrischer Energiespeicher kommt eine so genannte EMBATT-Batterie mit einer Speicherdichte von 270 Wattstunden pro Liter zum Einsatz – entstanden in einem Forschungsprojekt von IAV und Partnern mit dem Ziel, die Energiedichte von Lithium-Ionen-Batterien so weit zu steigern, dass rein elektrische Reichweiten von 1.000 Kilometern möglich werden.
Die optimierte Brennstoffzelle basiert auf einem aktuellen Stack aus der Massenproduktion, für den die Entwickler verschiedene technische Verbesserungen bis 2025 annehmen, zum Beispiel die Verringerung der Aktivierungs-, Konzentrations- und ohmschen Verluste. Der Tank des Fahrzeugs kann 4,8 Kilogramm Wasserstoff bei 700 bar Druck aufnehmen.
Autobahn-Test: größere Reichweite als BEV
In einer Berechnung haben die Entwickler die Reichweite und Fahrzeit eines Tesla Model 3 mit dem Brennstoffzellenfahrzeug verglichen. Das Ergebnis: Bei einer Geschwindigkeit von 130 km/h schafft man die Strecke von Flensburg nach Oberstdorf (983 km) mit Wasserstoff in rund acht Stunden und benötigt drei Tankstopps. Ist man dagegen rein batterieelektrisch unterwegs, dauert die Fahrt knapp zwei Stunden länger bei insgesamt vier Tankstopps. Ursache hierfür ist neben der schnelleren Betankung vor allem die größere Reichweite des LEAN-FC-Powertrain-Fahrzeugs bei der genannten Geschwindigkeit gegenüber dem Batteriefahrzeug.
Auch bei den Kosten hat die Brennstoffzellenvariante die Nase vorne. Interne Schätzungen der Preise für Batterien, Brennstoffzellen und Tanksysteme zeigen, dass eine Substitution des rein elektrischen Antriebs durch den LEAN-Antriebsstrang spürbar Kosten spart. „Mit unserem Konzept für das C-Segment bleiben wir erkennbar unterhalb der prognostizierten Kostenentwicklung für Brennstoffzellen“, sagt Ralf Wascheck, Abteilungsleiter für Fuel Cell und Hydrogen Mobility bei IAV. „Für viele Kunden wäre das eine denkbare Option, zumal eine Höchstgeschwindigkeit von 160 km/h marktfähig ist.“
«Mit unserem Konzept für das C-Segment bleiben wir erkennbar unterhalb der prognostizierten Kostenentwicklung für Brennstoffzellen.»
— Abteilungsleiter für Fuel Cell und Hydrogen Mobility bei IAV
„Für viele Kunden wäre das eine denkbare Option, zumal eine Höchstgeschwindigkeit von 160 km/h marktfähig ist.“, sagt Ralf Wascheck.
LEAN-Brennstoffzellen-Powertrain

Brennstoffzellensystem: 40 kW, PEM Fuel Cell
Batterie: IAV EMBATT, 22 kWh, 270 Wh/l
Tankgröße: 4,8 kg, 700 bar
Hybrid Strategie: 3-Punkt-Betrieb mit konstanter Last, Nachladen der Batterie
FAHRZEUG PERFORMANCE
(C-Klasse Fahrzeug 1,6 t)
Wasserstoffverbrauch (WLTP): 0,8 kg/100 km
Max. Reichweite (WLTP): 762 km
Max. Geschwindigkeit: 160 km/h
Beschleunigung (0-100 km/h): 7,6 s
EMBATT-Technologie
Leistungsstarke Batterien für E-Fahrzeuge und alternative Anwendungen: Im Rahmen eines Forschungsprojekts entwickelt IAV mit der Fraunhofer-Gesellschaft und industriellen Partnern ein direkt ins Fahrzeugchassis zu integrierendes Batteriesystem sowie Verfahren zur Herstellung der bipolaren Elektroden. Dank großflächiger Elektroden in Stapelstruktur und effizienter Speichermaterialien ermöglicht die EMBATT-Technologie vollelektrische Reichweiten von bis zu 1.000 km. Ziel der OEMs ist, die volumetrische Energiedichte auf 500 Wh/l zu steigern und die Herstellungskosten deutlich zu senken. Hierzu kann EMBATT beitragen – ebenso zu den Bemühungen der Industrie, Module und Komplexität weiter zu reduzieren. Zur kommerziellen Weiterverwendung der Technologie gibt es bereits erste unternehmerische Ansätze.
Der Artikel erschien in der automotion 01/2021, dem Automotive Engineering-Fachmagazin von IAV. Hier können Sie die automotion kostenfrei bestellen.
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