Immer unter Strom – dank IoT‑Plattform und KI

IAV untersucht in einem Forschungsprojekt mit mehr als 60 StreetScootern Work XL der Deutsche Post DHL die Flexibilitätspotenziale von elektrischen Flotten und die Möglichkeiten der intelligenten Netzintegration.

Netzengpässe prädiktiv vermeiden

Elektromobilität wird immer beliebter. Laut Statista wurden 2019 in Deutschland 63.000 reine E-Fahrzeuge zugelassen. 2020 liegt die Zahl der Zulassungen bereits bei über 77.000 (Stand August). Wachsende Modellvielfalt, größere Reichweiten und staatliche Zuschüsse bewegen immer mehr Kunden zum Umstieg auf einen emissionsfreien E-Antrieb. Damit diese Fahrzeuge auch geladen werden können, wächst der Bedarf nach Strom. Und dieser sollte für die Ökobilanz der E-Fahrzeuge bestenfalls aus erneuerbaren Energien kommen.

Besonders knifflig wird das, wenn ganze Fahrzeugflotten beispielsweise von Lieferdiensten zeitgleich über Nacht geladen werden müssen. Das stellt die Verteilnetzbetreiber vor eine wachsende Herausforderung. Denn wenn unerwartet viele Fahrzeuge an der Leitung hängen, kann dies zu Netzengpässen in der Versorgung führen. Zumal Sonne und Wind auch nicht konstant verfügbar sind, um den regenerativen Strombedarf sicherzustellen. Die Gefahr: Ohne intelligente Planung können Angebot und Nachfrage von Energie zu Spitzenzeiten aus dem Gleichgewicht geraten – und die Fahrzeugflotte steht am nächsten Morgen nicht vollgeladen zur Verfügung.

Um das zu verhindern, haben sich IAV, das Reiner Lemoine Institut und E.DIS Netz im Forschungsprojekt „Intelligente Netzintegration der elektrifizierten Logistik“ (Netz_eLOG) zusammengetan. Das Konsortium untersucht am Verteilzentrum der Deutsche Post DHL (DPDHL) im brandenburgischen Kleinmachnow die Flexibilitätspotenziale einer elektrischen Flotte und die Möglichkeiten der netzdienlichen Integration. Konkret geht es darum, ein Verfahren für ein automatisiertes Last- und Lademanagement zu entwickeln, damit die gesamte Fahrzeugflotte netzdienlich betrieben werden und so einen eigenen Beitrag zur Netzstabilisierung leisten kann. Dafür fließen erstmalig sowohl Daten des Netz- als auch des Flottenbetreibers in einem System zusammen. In dem Praxisversuch werden 63 Street Scooter des Modells Work XL der Firma DPDHL eingesetzt. Die Idee ist, durch gezielte, zeitlich geregelte Ladelastverschiebungen einerseits mögliche Netzengpässe prädiktiv zu vermeiden und damit das Laden der Flotte sicherzustellen, und andererseits die Einspeisespitzen der erneuerbaren Energien im Netz zu kompensieren. Diese Eingriffe zur Netzstabilisierung werden durch ad-hoc-Steuerung bzw. -Regelung und eine hohe Daten-Transparenz zwischen Verteilnetz und Ladeflotte erreicht.

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Optimale Netzlast dank KI

Eine wichtige Voraussetzung ist also, dass die Nachfrage nach Strom intelligent mit der Stromgewinnung aus erneuerbaren Energien verknüpft wird. „Die große Herausforderung ist, die logistischen Kriterien des Flottenbetreibers und die Anforderungen des Netzbetreibers in die Steuerung der Ladevorgänge zu integrieren. Das sind zwei komplett unterschiedliche Welten, die wir erstmals miteinander verbinden“, sagt Robert Frase, Abteilungsleiter im Bereich Thermodynamics und Power Systems bei IAV. Im Projekt Netz_eLOG entwickelt IAV eine interoperable IoT-Plattform, die die eingespeisten Daten des Netz- und des Flottenbetreibers abgleicht und auswertet. Eine darauf aufgesetzte KI-basierte Lastenregelung sorgt für eine optimale Netzlast und stellt das bedarfsgerechte Laden der Flotte sicher. Ziel ist, dass Netzbetreiber mit dieser Softwarelösung zukünftig die Bedarfe vorhersagen und diese bei der Netzplanung berücksichtigen können. Und zwar sowohl im „normalen“ Betrieb wie auch zu Spitzenzeiten, etwa in der Weihnachtszeit, wenn die Fahrzeuge längere Routen fahren und auch zwischendurch geladen werden müssen.

„Für dieses Vorhaben spielen uns unsere Erfahrungen aus der Automobilentwicklung in die Karten“, ergänzt Robert Frase. „Neben der Kompetenz für die Entwicklung von Elektrofahrzeugen und deren technischen Eigenschaften deckt IAV die Bandbreite von der Kommunikation vom Fahrzeug zur Ladesäule, einem dahinterliegendem Back-End sowie die Auswirkungen auf das Stromnetz ab.“

Die Entwicklung und Nutzung von Datenplattformen ist ebenfalls ein wichtiger Baustein in diesem Zusammenhang. Robert Frase: „Wir denken in Systemen – egal ob bei der Fahrzeugentwicklung oder im Bereich der Energiewirtschaft.“

«Wir setzen auf Synergien: Wir wollen unsere Erfahrungen aus der Automobilentwicklung auch für die Themen Digitalisierung und Automatisierung nutzen.»

Robert Frase — Abteilungsleiter im Bereich Thermodynamics und Power Systems bei IAV

Für IAV gibt es viele Parallelen zwischen beiden Bereichen: Die Regelungstechnik und das Datensatzmanagement unterscheiden sich bei Fahrzeugen und energiewirtschaftlichen Anlagen kaum.

Projekte und Partner

  • „Netz_eLOG“ („Intelligente Netzintegration der elektrifizierten Logistik“)
  • Reiner Lemoine Institut gGmbH (Konsortialführer), IAV GmbH, E.DIS Netz GmbH, DHL Kleinmachnow (assoziierter Partner).
  • Netz_eLOG wird im Rahmen des Förderprogramms „Erneuerbar mobil“ des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) gefördert, der Projektträger ist VDI/VDE-IT.

Der Artikel erschien in der automotion 03/2020, dem Automotive Engineering-Fachmagazin von IAV. Hier können Sie die automotion kostenfrei bestellen.

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