Innovation in the air

Intelligente Drohnensysteme könnten künftig Aufgaben bewältigen, die derzeit noch häufig von Hubschrauber übernommen werden. Der Vorteil von Drohnen: Sie sind leiser, günstiger und umweltverträglicher als ihre großen Brüder. Ein Beispiel für eine solche Anwendung sind die regelmäßigen Kontrollen und Vermessungen von Hochspannungsleitungen durch die Netzbetreiber. Was von unten bei einer zeitintensiven Begehung nicht zu sehen ist, kann in kürzerer Zeit aus luftiger Höhe begutachtet werden. IAV konzipiert im Rahmen des Projektes „Raven“ eine smarte Drohne und könnte binnen eines halben Jahres abheben.

Noch ist die Drohne vom Ingenieursteam um Dr. Manus Thiel nur „bedingt intelligent“. Das Gerät hat seine Mannschaft im Rahmen des vom BMWi geförderten Forschungsprojektes „EnerGlider“, das sich mit Offshore Höhenwindenergieanlagen befasst angeschafft, um Flugtests zu absolvieren. „Es gibt viele Anwendungsfelder, in denen Drohnen mit einem Wasserstoff-Brennstoffzellenantrieb und entsprechend hoher Reichweite einen entscheidenden Vorteil gegenüber Helikoptern bieten können. Unser Ziel ist es die im Projekt EnerGlider gewonnenen Erkenntnisse in Anwendungsfelder von Drohnen zu übertragen. Die von uns gekaufte Drohne trägt den Namen „CarryAir“ und dient uns als interdisziplinäre Forschungsplattform“, sagt Projektleiter Manus Thiel.

CarryAir fliegt hochautomatisiert

Pro Jahr müssen etwa 360.000 Kilometer Stromleitungen abgeflogen werden. Die meisten Hochspannungsleitungen sind sogenannte Freileitungen, deren Leiterseile an hohen Masten hängen. Bebauungen an den Leitungen oder Bäume, die zu dicht herangewachsen sind, können zu einem Überschlag des Stroms vom Leitseil auf den Mast und eventuell zu Schäden im Umspannwerk führen. Die den Strom leitenden Metallseile dehnen sich im Sommer durch die Wärme aus und hängen stärker durch als in der kalten Jahreszeit. Durch Wind kommen die Leitungen zudem ins Schwingen und dürfen auch dabei den Mindestabstand zu verschiedenen Objekten nicht unterschreiten.

Bei der Nachtrassierung soll die Drohne die Freileitung in ca. hundert Metern Höhe abfliegen und mittels Lasermessungen und Fotos den Leitungsverlauf rekonstruieren. Dabei kontrolliert sie auch die gesetzlich vorgeschriebenen Mindestabstände von Gebäuden, Gegenständen und Bäumen zur Stromleitung. Der Nurflügler kann senkrecht starten, benötigt keine Start- und Landebahn, was ihn flexibel einsetzbar macht. Während des Inspektionsfluges überwacht ein Mensch den Status des Flugkörpers vom Boden aus, um im Ernstfall den KI-Pilot übersteuern zu können, beispielsweise dann, wenn das Fluggerät unerwarteter Weise in einen kritischen Flugzustand gerät. Dabei muss sich die Person jedoch nicht in Sichtweite der Drohne befinden.

 

«Wir haben bereits ein Rettungssystem für den Ernstfall konzipiert. Sollte die Drohne abstürzen, lösen Fallschirme aus, sodass am Boden niemand gefährdet wird.»

— Teamleiter für Regelungstechnik Sensorik und Aktuatorik bei IAV

Nach erfolgter Befliegung überträgt das Fluggerät die Daten per WLAN an ein Rechnercluster, auf dem die Daten automatisiert ausgewertet werden. Dem Kunden wird ein Bericht übermittelt, in dem alle auffälligen Events gelistet und ggf. mit Handlungsempfehlungen versehen sind.

CarryAir als interdisziplinäres Vorhaben

Neben den Erfahrungen aus dem Forschungsprojekt EnerGlider und dem Stratosphärenflieger, für den IAV im Auftrag des britischen britische Start-up Stratospheric Platforms Limited (SPL) das Brennstoffzellensystem konstruierte, kann IAV auf das breite Know-how in den verschiedenen Technologien zurückgreifen, die für die Weiterentwicklung des Nurflüglers zum Demonstrator erforderlich sind. Diese Themenvielfalt macht das Konzept zu einem idealen Leuchtturmprojekt, um den neuen IAV-Bereich Future Powertrain zu fordern.

Gemäß den Anforderungen der angestrebten Anwendung, können die Brennstoffzellen und der Antriebsstrang des Wasserstoff-Fliegers bei IAV dimensioniert und in das System integriert werden. „Das Brennstoffzellensystem bringt eine hohe Energiedichte mit, sodass wir Reichweiten ab 500 Kilometern realisieren können. Mit den Simulationstools unserer Brennstoffzellenexperten um Dennis Backofen können wir die richtigen Komponenten miteinander kombinieren und das System so perfekt auf die jeweilige Mission abstimmen, auch mit einem Fokus auf der Haltbarkeit der Komponenten“, sagt Lancelle.

Zusätzlich fließt die Expertise der Kollegen aus dem Bereich autonomer Systeme und Regelungstechnik mit ein. Das Team um Dr. Thimo Oehlschlaegel bringt seine Expertise im Bereich Flugführung, Missionsplanung, Umfelderkennung, Lokalisierung und Navigation mit ein. Für die Auswertung der Daten werden KI-Methoden basierend auf Neuronalen Netzen verwendet. „Die Netze erkennen antrainierte Objekte und können so eine Klassifizierung der Objekte im Umfeld der Freileitung durchführen. Wir bedienen uns dabei unseres Computervision-Modulbaukastens IAV²“, so PD Dr. Dirk J. Lehmann.

Darüber hinaus muss CarryAir auch mit den nötigen Schnittstellen versehen werden, damit die Daten beim Kunden in nutzbarer Form ankommen. „Neben der Integration des Systems beim Kunden ist es uns ein Anliegen die Bedienbarkeit so einfach wie möglich zu gestalten. Außerdem soll die Datenauswertung automatisiert erfolgen“, sagt Teamleiter Enrico Neumann.

«Mit einem Pilotkunden könnten wir den ersten Demonstrator binnen eines halben Jahres entwickeln und mit den ersten Testflügen beginnen.»

Enrico Neumann — Teamleiter bei IAV

CarryAir bietet wirtschaftliche Vorteile

Neben der Nachtrassierung ist die Absicherung von Geländezonen wie Werksgeländen ein mögliches Einsatzszenario für CarryAir, ebenso gibt es Potenzial in der Landwirtschaft, wo Drohnen zur Überwachung von Nutzflächen und Erstellung von Foto- und Videomaterial eingesetzt werden können.

Unabhängig vom jeweiligen Anwendungsfall, bringt die Drohne jedoch zahlreiche Vorteile mit sich. Sie verfügt über einen effizienten und umweltfreundlichen Antrieb. Auch ist ihr Einsatz kostengünstiger in Bezug auf Datenerfassung, Flugdurchführung und Personal.

Darüber hinaus sind die gesammelten Daten besser reproduzierbar. „Eine hochautomatisierte Steuerung, sowie der Einsatz von Hochleistungssensorik garantiert eine Datenerfassung in konstanter und hoher Qualität. Da CarryAir autonom gesteuert wird und einen Laser nutzt, ist die konstante Erfassung aller Datenpunkte garantiert“, verdeutlicht Lancelle. Das wiederum vereinfacht das Auswerten der Daten. „Der Lasersensor kann am Geräteboden voll in das Flugobjekt integriert werden. Er erstellt ein dreidimensionales Abbild der Umgebung, unabhängig von den Bewegungseinflüssen des Fluggeräts.“

Zudem wird mit einer hochauflösenden Kamera ein geocodiertes Fotoband erstellt. Nach dem Flug werden 3D-Daten und Fotos fusioniert und mittels KI-Methoden eine Auswertung der Daten durchgeführt.