Radikal innovativer Schritt

Neue IAV-Automatisierungslösung für Windenergieanlagen ist bereit für den Feldversuch

Die Automatisierung von Windenergieanlagen hat sich in den vergangenen 20 Jahren konzeptionell kaum weiterentwickelt und entspricht heute nicht mehr dem Stand der Technik. Auf der Weltleitmesse WindEnergy (25. bis 28. September 2018 in Hamburg) zeigt IAV mit einem Technologiedemonstrator erstmals, was mit aktueller Steuerungs- und Regelungstechnik heute möglich ist. Der modellbasierte Ansatz ermöglicht eine Echtzeit-Betriebsführung, die wahlweise zu einer höheren Ausbeute bei gleicher Belastung oder einer höheren Anlagen-Lebensdauer bei gleichbleibender Energieproduktion führt.

Die von IAV entwickelte Automatisierungslösung erfordert dabei keine neuen Sensoren und Aktoren. Wie bisher dienen als Messgrößen die Drehzahl des Rotors, die Leistung des Generators, der Anstellwinkel der Rotorblätter und die Beschleunigung, die der Turm der Windenergieanlage (WEA) bei den aktuellen Windverhältnissen erfährt. Sie speisenein Modell der WEA, das mithilfe der vorausgesagten Windgeschwindigkeit in Echtzeit den Zustand der Anlage bis zu 20 Sekunden in die Zukunft berechnen kann. Ein Optimierungsalgorithmus bestimmt dann diejenigen Stelleingriffe für die Pitchantriebe der Rotorblätter und den Generator, die für den Betrieb der Anlage bestmöglich sind.

Bessere Ausbeute oder höhere Anlagen-Lebensdauer

Ziel der Anlagenbetreiber ist es dabei, mit ihren Investitionen den maximalen Ertrag zu erzielen. Das kann bedeuten, bei gleicher Belastung der WEA mehr Strom zu produzieren – hier verspricht die neue Anlagenautomatisierung eine um bis zu 1,5 Prozent höhere Ausbeute. Umgekehrt kann eine reduzierte Belastung bei gleichbleibendem Ertrag gewünscht sein – in diesem Fall lassen sich wesentliche mechanische Belastungen der WEA-Komponenten um bis zu zehn Prozent reduzieren, was zu einem deutlichen Anstieg ihrer Lebensdauer führt.

„Prinzipiell eignet sich unsere neue Automatisierungslösung für alle WEA-Anlagen“, sagt Dr. Axel Schild, Senior-Fachreferent im Bereich Powertrain and Power Engineering bei IAV. „Als Retrofit-Lösung macht sie bestehende Anlagen wirtschaftlicher. Neue Windräder ließen sich wiederum wesentlich günstiger produzieren, weil die verringerte Belastung zu deutlichen Materialeinsparungen führen würde.“ Inzwischen ist die IAVLösung so ausgereift, dass die Felderprobung noch dieses Jahr beginnen soll. Das Marktpotenzial ist immens: Jedes Jahr werden weltweit rund 20.000 neue WEA installiert und nach Einschätzung der IAV-Experten wird künftig ein Großteil der Neuanlagen mit einer derartigen Automatisierung ausgestattet.

Erlebbare Automatisierungslösung

Auf der WindEnergy 2016 hat IAV die Idee und ein erstes Konzept vorgestellt. Dieses Jahr erwartet die Messebesucher ein weit fortgeschrittener Technologiedemonstrator. Um das abstrakte Thema erlebbar zu machen, wird auf dem IAV-Messestand in Hamburg eine Prüfplatzumgebung aufgebaut, die die Arbeit der Automatisierungslösung visualisiert: Besucher können sich auf eine dreieckige Plattform stellen und durch die Verlagerung ihres Körpergewichtes drei unterschiedliche Grundziele (Stromproduktion, Minimierung der Bauteillast, Aktorlastminimierung) im wahrsten Sinne des Wortes „gewichten“. Die Anteile an der aktuellen Gewichtung sind auf einem Bildschirm zu sehen und dienen als Input für die Regelung. Deren Reaktion wird ebenfalls auf dem Monitor dargestellt, sodass man die Arbeit der Automatisierungslösung live erleben kann: Graphen zeigen, wie sich Stromproduktion sowie die Belastung der Bauteile und der Aktoren in Echtzeit verändern. Ein Film rundet das Messererlebnis ab – er stellt den Regler als gespaltene Persönlichkeit dar und dient ebenfalls dazu, das Thema emotional darzustellen.

Die neue Automatisierungslösung ist technisch bereits so ausgereift, dass IAV nun Partner für ihre Vermarktung sucht. „Dafür kommen beispielsweise die Hersteller von industriellen Steuerungen infrage, die ihre Hardware mit unserer Software kombinieren und als Paket vertreiben können“, so Schild. „Da-rum ist die WindEnergy auch genau die richtige Messe für uns, um unsere Lösung der Öffentlichkeit zu präsentieren: Dort sind besonders viele OEMs und Zulieferer aus der Windbranche vertreten.“

Permanente Weiterentwicklung in Forschungsprojekt

Die neue WEA-Automatisierung wird von IAV im Forschungsprojekt eco4wind gemeinsam mit akademischen Partnern kontinuierlich weiterentwickelt, wobei laufend aktuelle Forschungsergebnisse einfließen. „Die heute eingesetzten Regelungslösungen berücksichtigen für die Ermittlung der Stelleingriffe ausschließlich die Vergangenheit bis zur Gegenwart. Unser neuer, modellbasierter Ansatz beruht hingegen auf der Vorhersage und Optimierung des künftigen Geschehens“, fasst Schild zusammen. „Dieser innovative Ansatz maximiert den Nutzen von Windenergieanlagen und ist ein radikal innovativer Schritt.“

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