Reife(n)prüfung: Der Rollwiderstand als Stakeholder für Mobilitätsziele

Neben seinem Einfluss auf das Fahrverhalten beeinflusst der Reifen durch den Rollwiderstand den Energieverbrauch eines Fahrzeugs maßgeblich. Mit einem durchschnittlichen Anteil von etwa 25 % am Kraftstoffverbrauch stellt er einen entscheidenden Faktor für die Effizienz, sowie die Reichweite von E-Fahrzeugen dar, und befindet sich daher zunehmend im Rampenlicht der aktuellen Megatrends der Automobilindustrie. Nicht zuletzt hat der Rollwiderstand auch Auswirkungen auf die Kaufentscheidung der Endkunden, da alle Reifen seit der Einführung des EU-Reifenlabels im Jahr 2012 in die Effizienzklassen zwischen A bis G eingeteilt werden. Eine Abstufung entspricht dabei einem Kraftstoffersparnis von etwa 0,1 l auf 100 Kilometer.

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Um die Entwicklung in diesem Bereich voranzutreiben, betreibt IAV einen Reifen-Rollwiderstands-Prüfstand, der OEMs, Reifenherstellern aber auch der Forschung die Möglichkeit bietet, ihre Reifen und somit das Potenzial zur Reduzierung der CO2 -Emissionen zu erproben.

Der Rollwiderstand – Die Reifenbewertungsgröße der Zukunft

Besonders in urbanen Räumen bei vorwiegend niedrigen Fahrgeschwindigkeiten und somit dem vorwiegenden Einsatzort moderner E-Fahrzeuge ist der Anteil des Rollwiderstands entscheidend. Dieser Widerstand resultiert zu einem Großteil aus der Verformung der Lauffläche und des Gürtels beim Abrollen des Reifens. Dennoch wurde bei der Auslegung des Prüfstands neben dem Augenmerk auf ISO-Messungen für das EU-Reifenlabeling und den WLTP-Zyklus, auf die Möglichkeit zur Realisierung von hohen Fahrgeschwindigkeiten bis zu 270 km/h geachtet. Dies ermöglicht unseren Industriepartnern die präzise Auslegung und Auswahl ihrer Reifen.

Ein Prüfstand für alle Fälle

Um den Rollwiderstand eines Reifens zu ermitteln, wird ein spezieller Prüfstand benötigt. Eine entsprechende Messung nach ISO 28580 wird nach einem standardisierten Ablauf durchgeführt: Das freigelagerte Rad wird mit einer Radlast von 80 % der maximalen Traglast beaufschlagt und auf eine Trommel mit einem Durchmesser von 2 Metern gepresst. Anschließend beschleunigt sich die von einem Elektromotor angetriebene Trommel auf eine Geschwindigkeit von 80 km/h. Das Drehmoment, das nötig ist, um die Geschwindigkeit der Trommel konstant zu halten, wird am Antrieb gemessen und enthält neben den Störgrößen auch den Rollwiderstand des Reifens. Während der Widerstand der freilaufenden Trommel bekannt ist und herausgerechnet werden kann, werden Verluste aus der Lagerung des Reifens sowie aerodynamische Verluste in einer zweiten Messung, die näherungsweise ohne Radlast durchgeführt wird, ermittelt und eliminiert. In einem letzten Schritt wird die Krümmung der Trommel mathematisch korrigiert, da die Reifenaufstandsfläche nicht exakt der einer ebenen Aufstandsfläche gleicht. Das Ergebnis dieser Prozedur ist der Rollwiderstandsbeiwert, die entscheidende Bewertungsgröße für den Rollwiderstand.

Die Messergebnisse des Prüfstands werden regelmäßig mit dem Referenzlabor der Continental Reifen Deutschland GmbH abgeglichen und somit international anerkannt. Eine verlässliche und konstante Qualität der Messungen garantiert die Akkreditierung bei der DAkkS (Deutsche Akkreditierungsstelle). Trotz der hohen Nachfrage und Relevanz des Themas ist es wichtig, flexibel auf Kundenwünsche zu reagieren und durch gute Logistik und Prozesse kurzfristig eine größere Anzahl von Reifen testen zu können. Neben den Herstellern aus Reifen- und Fahrzeugindustrie nutzt IAV den Rollwiderstands-Prüfstand auch für Fragestellungen aus der Forschung, da man aktiv an der Einsparung von CO2 mitwirken und Grundlagenforschung ermöglichen möchte. Der Zielkonflikt zwischen Rollwiderstand, Performance und Komfort stellt eine enorme Herausforderung für Reifen- und Fahrzeughersteller dar, denn Fahrzeuge sind mehr denn je auf hoch performante, verschleiß- und rollwiderstandsarme Reifen zur Reduzierung des CO2 –Ausstoßes bei gleichzeitiger Gewährleistung der Sicherheit angewiesen. Die Anforderung an eine höhere Effizienz ist in kommerzieller Sicht auch für Nutzfahrzeuge essentiell. Daher hat man bei IAV zusätzlich die Relevanz von leichten Kleinfahrzeugen bis hin zu schweren Lkw und Bussen (Reifenklasse C1, C2 und C3) im Fokus und baut das Know-how im Hinblick auf die zunehmende Logistik weiter aus.

Technische Daten

  • Test nach ISO 28580 (EU-Reifenlabeling)
  • Reifenklassen C1, C2, C3 (PKW, Busse, LKW)
  • Geschwindigkeiten bis 270 km/h
  • Radlasten bis 63kN
  • Variabler Sturzwinkel
  • Akkreditiert nach DIN EN ISO/IEC 17025
  • Abgeglichen mit der Continental AG (Virtual Lab)
  • Grundlagenforschung zu CO2-Emissionen und Reichweitenerhöhung
  • Qualitätsüberprüfung für Reifen (Überprüfung von Qualitätsschwankungen im Produktlebenszyklus)
  • Variable und kurzfristige Testmöglichkeiten

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