Rentabilitätsschwelle erreicht

Verdampfungskühlung plus Rankine-Zyklus: IAV macht Wärmerückgewinnung im Lkw attraktiv

Theoretisch ließe sich durch die Nutzung der Abwärme im Abgas der Kraftstoffverbrauch von Nutzfahrzeugen um einige Prozent verringern. Bisher hat sich die Idee aber nicht durchgesetzt, weil die Amortisationszeiten für die zusätzliche Technik noch zu lang waren. Wird hingegen neben der Energie im Abgas auch die Abwärme des Motors genutzt, wird der Einsatz des Organic Rankine Cycle‘ (ORC) rentabel. IAV hat das „Advanced Thermal Management“ entwickelt, das eine Verdampfungskühlung mit dem ORC kombiniert. Schon mit der nächsten Motorengeneration könnte es in Serie gehen.

Nur rund ein Drittel der Energie im Kraftstoff wird für den Antrieb genutzt, der Rest geht derzeit als Abwärme verloren. Ein Teil davon könnte wieder in mechanische oder elektrische Energie umgewandelt und sinnvoll genutzt werden. Neben Stirling-Motoren und thermoelektrischen Generatoren bietet sich dafür insbesondere der ORC an. Das Kosten-Nutzen-Verhältnis im Vergleich der Wärmerückgewinnungs-Technologien ist hier am besten.

Bisher wurde in den meisten Anwendungen nur die Wärme im Abgas als Energiequelle für den ORC betrachtet. „Damit lässt sich der Kraftstoffverbrauch eines Fahrzeugs um 3 bis 3,5 Prozent verringern“, berichtet Oliver Dingel, Seniorfachreferent Energiemanagement im Bereich Powertrain Nutzfahrzeuge bei IAV. „Speditionen fordern in der Regel, dass sich Investitionen in neue Technik innerhalb von zwei Jahren amortisieren müssen. Das ist derzeit nicht möglich, wenn man nur die Abwärme im Abgas nutzt.“

Kraftstoffverbrauch sinkt dank Motorwärme um 4,5 Prozent

Als weitere große Wärmequelle steht aber noch der Motor zur Verfügung, der momentan mit einem flüssigen Wasser-Glykol-Gemisch mit einer Temperatur von rund 100 Grad Celsius gekühlt wird. Das „Advanced Thermal Management“ (ATM) von IAV nutzt beide Wärmequellen als Energielieferanten für den ORC: Eine Wasser-Ethanol-Mischung (Rankine-Fluid) durchströmt zuerst die Wärmetauscher im Abgastrakt und anschließend den Motor. Auf diese Weise kann der ORC deutlich mehr Energie zurückgewinnen. „Der Kraftstoffverbrauch sinkt jetzt um mindestens 4,5 Prozent, wodurch die gesetzte Rentabilitätsschwelle für die Wärmerückgewinnung im Lkw erreicht wird“, so Dingel. „Die Energie kann mechanisch auf den Motor bzw. die Antriebswelle übertragen werden oder über einen Generator ins elektrische Bordnetz eingespeist werden – allerdings gibt es in Lkw dafür derzeit noch nicht genügend Verbraucher.“

Der Einsatz von ATM erfordert allerdings ein Umdenken bei der Motorkühlung. Sie beruht nicht mehr auf der Erwärmung eines flüssigen Mediums, sondern nutzt die gezielte, erzwungene Verdampfung des Fluids im Motor (Designed Boiling). Diese findet je nach Lastpunkt bei deutlich höheren Drücken (bis zu 40 Bar) und Temperaturen als eine konventionelle Kühlung statt. Auf den ersten Blick scheint sich der Wärmeübergang ins Kühlmedium dadurch zu verschlechtern – denn bei der herkömmlichen Kühlung ist die Temperaturdifferenz zwischen den heißen Bauteilen und dem Medium sehr groß. „Bei ATM ist sie zwar spürbar geringer, dafür ermöglicht die Verdampfung aber einen viel besseren Wärmeübergang“, erklärt Dingel. „Außerdem kann das Fluid durch den Phasenübergang eine wesentlich höhere Energiemenge aufnehmen, was zu einer drastischen Reduktion des Massenstrombedarfs führt. Dadurch kommt ATM auch mit einer sehr kleinen Kühlmittelpumpe aus.“

Kondensator erhöht die Kühlleistung

Das verdampfte Medium strömt hinter dem Motor in den Expander, wo es sich entspannt und mechanische Arbeit für die Wärmerückgewinnung leistet. Die Verflüssigung erfolgt danach in einem Kondensator, der den heute verwendeten Kühler ersetzt. Hier zeigt sich ein weiterer Vorteil von ATM: Der Kondensator verfügt über einen besseren Wirkungsgrad. Dadurch benötigt er bei gleicher Kühlleistung eine etwa 40 Prozent geringere Fläche als ein konventioneller Kühler. Wird die Kühlfläche beibehalten, so kann deutlich mehr Wärme an die Umgebung abgeführt werden als bei einem konventionellen Kühler. Das eröffnet die Möglichkeit, den ORC auch bei hohen Lasten, beispielsweise bei Bergauffahrten zu betreiben, ohne dass die zurückgewonnene Leistung durch eine erhöhte Lüfterleistung spürbar reduziert wird.

Für den Einsatz von ATM sind Änderungen am Zylinderkopf und am Motorblock nötig. „Kühlkanäle müssen in Zukunft völlig anders ausgelegt werden“, so Dingel. „Das wird aber voraussichtlich nicht zu höheren Kosten führen.“ IAV hat das neue Kühlsystem bereits erfolgreich an einem Pkw-Zylinderkopf getestet und seine Effizienz im Nutzfahrzeug-Bereich mit Simulationen nachgewiesen. Nach einer erfolgreichen Entwicklung im Kundenauftrag könnte ATM bereits mit der nächsten Lkw-Motorengeneration in Serie gehen.

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