Revolution in der Fertigungstechnik erfordert neue Designansätze

Prototypische Otto- und Dieselmotorenkolben von IAV zeigen, welches Potenzial der 3D-Druck hat

Der 3D-Druck wird die Fertigungstechnik mittelfristig revolutionieren. Bei Prototypen ist die additive Herstellung bereits etabliert, Kleinserien werden bald folgen. IAV setzt das Verfahren seit mehr als fünf Jahren für Motorkomponenten wie Kolben und Zylinderköpfe ein. Langfristiges Ziel ist „Seriendesign ab dem ersten Bauteil“.

Der 3D-Druck eröffnet den Entwicklern völlig neue Freiheitsgrade beim Design und ermöglicht den Einsatz neuer Materialien – etwa von Aluminium, das mit Keramik verstärkt wird. Durch die innovative Fertigungstechnik lassen sich mehr Funktionen in Motorbauteile integrieren und die Belastungsgrenzen weiter nach oben verschieben. Zum Beispiel bei Kolben von Ottomotoren: „Sie werden heute gegossen oder – vor allem bei hohen Leistungen – geschmiedet“, erklärt Matthias Krause, Abteilungsleiter Grundmotorenentwicklung bei IAV. „Vor allem beim Design der Kühlkanäle sind wir dadurch eingeschränkt.“

3D-Druck Kolben

Sinkende HC-Emissionen, weniger Klopfneigung

Was durch den 3D-Druck möglich wird, zeigt der von IAV entwickelte Prototyp eines Ottomotoren- Kolbens. Er besteht aus einer Aluminiumlegierung, die mit etwa zehn Prozent Keramikpartikeln verstärkt wurde. Das Material weist nahezu die doppelte Zugfestigkeit von üblichen Kolbenlegierungen und eine um 30 Prozent geringere Wärmedehnung auf. Durch die additive Fertigung konnten die Konstrukteure den Kolben spürbar optimieren: Durch filigrane Kühlkanäle im Bereich des Feuerstegs sinken die Emissionen von Kohlenwasserstoffen, und die Klopfneigung des Motors geht zurück.

Außerdem verringert sich die Verformung bei hohen Temperaturen. „Bei gegossenen und geschmiedeten Kolben ist die Materialanhäufung innerhalb der Komponente sehr unterschiedlich“, sagt Roger Budde, Fachreferent Kurbeltrieb bei IAV. „Das führt bei Erwärmung zu einer unterschiedlichen Ausdehnung, sodass der Kolben nie perfekt in den Zylinder passt.“ Der 3D-Druck ermöglicht eine Fachwerkstruktur innerhalb des Kolbens und damit eine relativ gleichmäßige Verteilung des Materials. Zusammen mit der geringeren Wärmedehnung führt dies zu einer deutlich geringeren und regelmäßigeren Verformung, was sich in reduzierter Reibung und damit einem sinkenden Kraftstoffverbrauch widerspiegelt.

Ein weiterer positiver Effekt ist das sinkende Gewicht des Kolbens, der bei gleicher Belastbarkeit im Vergleich zu einem konventionellen Pendant rund 25 Prozent weniger auf die Waage bringt. „Das reduziert die Massenkräfte im Kurbeltrieb, sodass höhere Motordrehzahlen möglich werden“, sagt Krause. „Hersteller von Sportwagen könnten dadurch die Leistung ihrer Motoren erhöhen, ohne grundlegend in die Konstruktion des Kurbeltriebes eingreifen zu müssen.“

Bessere Gemischbildung beim Diesel

Auch die Kolben von Nutzfahrzeugen mit leistungsstarken Dieselmotoren profitieren vom 3D-Druck. Hier spielen die neuen Freiheiten beim Design ebenfalls eine zentrale Rolle: Während konventionelle Kolben heute eine rotationssymmetrische Mulde aufweisen, die an den griechischen Kleinbuchstaben Omega erinnert, lässt sich dank additiver Fertigung künftig ein sternförmiges Design realisieren. „Dadurch hat der Kraftstoffstrahl mehr Raum, um mit der Luft zu interagieren, wodurch sich die Gemischbildung verbessert“, berichtet Budde. „Die Größe der Kolbenmulde wird in Zukunft noch an Bedeutung gewinnen: Wir erwarten weiter steigende Einspritzdrücke, sodass der Kraftstoffstrahl noch mehr freie Strahllänge benötigt. Es muss verhindert werden, dass unverbrannter Kraftstoff auf die Kolbenmuldenwand trifft.“

Wie beim Ottomotor lässt sich beim Diesel die Kolbenkühlung optimieren. IAV setzt hier auf ein zweistufiges Kühlsystem, bei dem filigrane Kanäle flüssiges Natrium zur ersten Ringnut und zur Kolbenmulde transportieren – also zu den thermisch besonders belasteten Stellen mit mehr als 300 Grad Celsius Temperatur. Ein teilweise mit Öl gefülltes Volumen („Shaker“) nimmt die Wärme aus dem Natrium auf und leitet sie an die Ölkühlung des Motors weiter. Auch beim Dieselkolben sinkt zudem das Gewicht: Dank 3D-Druck aus besonders belastbarem Werkzeugstahl geht es bei gleicher Leistungsfähigkeit der Komponente um bis zu 15 Prozent zurück.

„Wir diskutieren bereits konkret mit Kunden über den Einsatz des neuen Dieselkolbens“, so Krause. „Eventuell bauen wir noch in diesem Jahr einen Einzylindermotor damit auf, um sein Potenzial besser validieren zu können.“ Neben neuen Kolben haben die IAV-Experten noch weitere Motorkomponenten auf ihrer Liste: So ließe sich beispielsweise das Gewicht von Zylinderköpfen durch 3D-Druck um etwa 30 Prozent verringern, hinzu kämen Funktionsverbesserungen wie etwa ein optimiertes Kühlsystem. Denkbar ist in diesem Fall eine Hybridbauweise, bei der der bodenplatten- und brennraumnahe Teil der Komponente auf den gegossenen Teil aufgedruckt werden.

Zylinderköpfe, Turboladergehäuse und Kurbelwellen aus dem Drucker

Weitere Kandidaten für den 3D-Druck sind Abgaskrümmer- Module mit integriertem Turboladergehäuse und Kurbelwellen für Prototypen. Zwar ist die additive Fertigungsweise aktuell für den Serieneinsatz noch zu teuer, aber dank sinkender Kosten könnte sich das schon mittelfristig ändern. „Darum denken wir bereits heute über das nach, was in einigen Jahren Einzug in die Serie halten wird“, so Krause. „Wir haben unter anderem einen eigenen Konstruktionskatalog entwickelt, mit dessen Hilfe wir Komponenten entwerfen, die das Potenzial des 3D-Drucks voll ausschöpfen und optimal zu drucken sind.“ In Zukunft könnte es darum möglich sein, bereits bei den ersten Prototypen die spätere Serienqualität zu erhalten. Und am Ende des Fahrzeug-Lebenszyklus‘ ließen sich Ersatzteile bei Bedarf ausdrucken, statt sie jahrelang auf Lager zu halten.

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