Sehen, was die Zukunft bringt – HMI-Konzepte in AR und VR

Wie ein Fahrzeug von innen aussehen wird, lässt sich mithilfe von 3D-Ansichten heutzutage schnell überprüfen. Wie aber macht man ein Human Machine Interface (HMI) erfahrbar, lange bevor das Fahrzeug überhaupt in die Vorserienentwicklung geht? Bei IAV hat man dafür eine Entwicklungsumgebung geschaffen, die Virtual Reality (VR) und Augmented Reality (AR) nutzt, um Benutzerschnittstellen schnell und einfach zu konfigurieren.

Durch die Digitalisierung eröffnen sich im Bereich der Mensch-Maschine-Schnittstellen immer neue Möglichkeiten, wie etwa die Bedienung per sensitiver Oberflächen oder die Augmentierung der Umwelt über ein Head-up-Display (HUD). Dadurch entstehen neue Gestaltungsräume für die Auslegung eines Fahrzeug-HMIs. Der Trend ist klar: vom einfachen Bedienen zum ganzheitlichen Erleben. Und für Autokäufer wird ein intuitives HMI zunehmend zum Kaufkriterium. Hersteller stehen deshalb vor der Herausforderung, neue HMI-Anzeige-/­Bedienelemente möglichst schnell auf den Markt zu bringen. Dafür müssen diese so früh es geht – noch während der Prototypenphase – erfahrbar gemacht werden, um das HMI möglichst am Endkunden zu testen. Die Fahrzeughersteller brauchen aber nicht nur schnelle, sondern auch kostengünstige Lösungen: Statt physische Prototypen dieser Elemente anfertigen zu müssen – was aufwendig und teuer ist –, bedarf es anderer Optionen zur Evaluierung. Die User-Experience-Spezialisten von IAV um Yves Tamborini, Teamleiter UX Research & Concepts, haben dafür eine virtuelle Umgebung entwickelt: Mit AR-/­VR-Szenarien wird das HMI virtuell zum Leben erweckt – und das noch vor der Vorserien-Produktion.

hmi konzepte

Virtuell ist alles möglich

Yves Tamborini erklärt: „Wir arbeiten mit verschiedenen Testmethoden. Im Bereich VR bauen wir zum Beispiel das komplette Innere eines Fahrzeugs per 3D-Software nach, sodass wir dort an unterschiedlichen Stellen Anzeigen simulieren können – sowohl auf den Displays der Fahrzeuge als auch bei der Anordnung weiterer Bedienelemente.“ Probanden tragen dann eine VR-Brille und einen Datenhandschuh, um den virtuellen Innenraum räumlich erleben und testen zu können.

Im Bereich AR steckt das Team noch in der Experimentierphase, erste Vorteile zeichnen sich aber bereits ab: Anders als bei VR kann in einem realen Umfeld gearbeitet werden – etwa in einem bereits existierenden Fahrzeug oder einer Sitzkiste. AR-Szenarien sind für den Probanden ebenfalls durch eine Brille erfahrbar: „Die Testperson sieht ihre reale Umgebung, mithilfe der AR-Brille können wir aber bestimmte Bauteile definieren, die mit 3D-Elementen per AR ersetzt oder überlagert werden sollen“, erklärt Tamborini. So kann zum Beispiel ein Head-up-Display über die komplette Frontscheibe hinweg eingeblendet werden. Und weitere Features wie Datenhandschuhe ermöglichen sogar haptisches Feedback. Impulse in den Fingerspitzen geben dem Probanden einen Eindruck von Schaltern, Reglern und anderen Elementen.

Das HMI der Zukunft

Ein wichtiges Werkzeug bei der Handhabung des virtuellen HMI-Konzepts ist der sogenannte IAV Fast & Easy AR/VR Prototyping-Ansatz. „Das HMI im virtuellen Fahrzeug ist nicht statisch, sondern kann in Echtzeit angepasst werden“, erklärt Tamborini. Über ein Tablet können schnell und einfach per Drag-and-Drop verschiedenste HMI-Elemente zusammengestellt oder HMI-Konfigurationen geladen werden, die anschließend in der AR-/VR-Szene im Fahrzeug auf den virtuellen Displays erscheinen.

Ein weiterer Pluspunkt des IAV Fast & Easy AR/VR Prototyping-Ansatzes: Designs und Themes lassen sich schnell austauschen oder ändern – dies verkürzt die Entwicklungszeit. „Für die Erstellung von HMI-Varianten muss man also kein AR-/VR-­Experte mehr sein“, so Tamborini. Derartige virtuelle Testumgebungen schaffen so Flexibilität sowie Kosteneffizienz und bilden auch schon technische Restriktionen der Bauteile ab. Sind zu einem späteren Zeitpunkt der Entwicklung physische Anzeige-/­Bedienelemente verfügbar (bspw. Displays, HUD etc.), kann das HMI mit dem von IAV gewählten ­Ansatz auch dort angezeigt und bedient werden.

Design und Funktionen des HMI zu einem frühen Zeitpunkt erleb- und vor allem evaluierbar zu machen, hilft den Herstellern in vielerlei Hinsicht. Auch hier setzt IAV auf virtuelle Methoden: Blickdauer und -verläufe, Art und Anzahl von Interaktionen, Fehler etc. lassen sich auch in virtuellen Szenen analysieren. Aber nicht alles lässt sich virtuell testen: Für Fahrzeuge, die in den USA zugelassen werden sollen, hat die National Highway Traffic Safety Administration (NHTSA) hohe Auflagen definiert. „Hersteller können geplante HMI-Systeme durch unsere Experten vorab bewerten und mittels Probanden testen lassen“, sagt Tamborini.

yves tamborini

«So haben Hersteller bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt Sicherheit darüber, dass alle Funktionen den Regularien entsprechen und einer Freigabe durch die NHTSA nichts im Weg steht.»

Yves Tamborini — Teamleiter UX Research & Concepts bei IAV

HMI-Bewertungen in der virtuellen Welt gepaart mit Tests an realen Systemen schaffen daher die besten Voraussetzungen für eine intuitive und regelkonforme User Experience im künftigen Fahrzeug – und zeigen dem Anwender heute schon, was die Zukunft bringt.

Der Artikel erschien in der automotion 01/2021, dem Automotive Engineering-Fachmagazin von IAV. Hier können Sie die automotion kostenfrei bestellen.

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