Verbrennungsmotoren mit CO2-vermeidendem Kraftstoff

Synthetische Kraftstoffe aus Ökostrom machen Benziner und Diesel nahezu klimaneutral

Betrachtungen über den gesamten Lebenszyklus von Fahrzeugen zeigen: Beim heutigen Strommix und angesichts des Energieverbrauchs für ihre Herstellung liegen Plug-in-Hybride und reine E-Autos bei den CO2-Emissionen noch recht nahe bei Fahrzeugen mit Benzin- oder Dieselmotor. Durch den Einsatz synthetischer Kraftstoffe könnten die konventionellen Antriebe sogar klimafreundlicher werden als ihre elektrisch angetriebenen Pendants. Benzin und Diesel aus erneuerbarem Strom ermöglichen so nachhaltigeren Straßenverkehr.

Die CO2-Emissionen des Mobilitätssektors müssen sinken: Darin sind sich alle Experten einig. Aber was sind die besten Wege zu diesem Ziel? Kurzfristig kann die Elektromobilität keinen spürbaren Beitrag dazu leisten, denn bislang sind viel zu wenig E-Autos auf den Straßen unterwegs – hohe Kosten, kurze Reichweiten und lange Ladezeiten an den Stromtankstellen schrecken viele potenzielle Käufer ab. Hinzu kommt aber ein weiterer Aspekt: Bei genauer Betrachtung sind elektrisch betriebene Fahrzeuge derzeit kaum ein Gewinn fürs Klima. Denn wenn man alle CO2-Emissionen über ihren Lebenszyklus hinweg addiert, erhält man Werte, die sehr nahe bei denen eines Fahrzeugs mit Verbrennungsmotor liegen.

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Stromgenerierte Kraftstoffe: Sektorkopplung Energie und Verkehr

Berücksichtigung aller Umweltauswirkungen

Life Cycle Assessments (LCA) berücksichtigen alle Umweltauswirkungen, die ein Produkt mit sich bringt – von der Förderung der Rohstoffe über die Produktion und die Nutzungsphase bis hin zum Recycling des Materials. Bei Fahrzeugen mit einem Verbrennungsmotor trägt vor allem die Nutzungsphase zur Klimaerwärmung bei: 144 Gramm CO2 pro Kilometer sind es in einem beispielhaften Vergleich bei einem Benziner, 109 Gramm bei einem Diesel – wobei zum Verbrauch während der Fahrt noch der Kohlendioxidausstoß hinzukommt, der bei der Produktion der Kraftstoffe anfällt. Zudem muss man das CO2 hinzurechnen, das bei der Produktion und beim Recycling der Autos entsteht. Umgerechnet auf 200.000 Kilometer Fahrleistung im WLTC kommt der Benziner so auf 167 Gramm CO2 pro Kilometer, der Diesel auf 134 Gramm.

Nach der gleichen Berechnungsmethode emittiert ein Plug-in-Hybrid 145 Gramm CO2 pro Kilometer – weniger als der Benziner, aber mehr als der Diesel. „Dazu trägt nicht nur der relativ hohe Kohlendioxidausstoß während der Produktion, sondern auch die Stromerzeugung mit vielen fossilen Kraftwerken bei“, erklärt Dr. Bernd Becker, Abteilungsleiter Fahrzeugenergetik bei IAV. „Das liegt am derzeitigen Kraftwerksmix: In Deutschland entstehen pro Kilowattstunde Strom rund 476 Gramm Kohlendioxid.“ So ist es zu erklären, dass ein Plug-in-Hybrid während seiner Nutzungsphase 102 Gramm CO2 pro Kilometer ausstößt, zu denen noch 43 Gramm für seine Produktion und das Recycling hinzukommen. Ein rein batterieelektrisches Fahrzeug kommt auf 65 Gramm CO2 pro Kilometer für die Nutzungsphase, plus 49 Gramm für Produktion und Recycling.

CO2 als Rohstoff für die Mobilität

Vor allem bei der Produktion haben Fahrzeuge mit Benzin- und Dieselmotor heute klare CO2-Vorteile. In Kombination mit nachhaltigen Kraftstoffen könnten sie also mittelfristig einen spürbaren Beitrag zum Klimaschutz leisten. Genau das soll synthetisches Benzin ermöglichen, das mithilfe erneuerbarer Energien hergestellt werden kann: Im ersten Schritt entsteht aus Wasser per Elektrolyse mit Ökostrom Wasserstoff. Mithilfe von CO2 lässt dieser sich zunächst in Methanol umwandeln, und aus Methanol kann man anschließend synthetisches Benzin herstellen – so wird aus dem klimaschädlichen CO2 ein Rohstoff für die Mobilität.

„Tests mit modernen Benzinmotoren zeigen, dass dieser klimaneutrale Kraftstoff bei Zündung und Leistung keine nennenswerten Unterschiede im Vergleich zu konventionellem Kraftstoff aufweist“, berichtet Becker. „Mit ihm lassen sich Millionen von Altfahrzeugen betreiben, die dadurch CO2-neutral unterwegs wären.“ Bevor in der Nutzungsphase das Kohlendioxid emittiert wird, ist es bei der Kraftstoffherstellung aus der Umwelt entnommen worden. In Summe käme das oben genannte Fahrzeug mit Benzinmotor bei 200.000 Kilometern Laufleistung im WLTC auf nur noch 35 Gramm CO2 pro Kilometer.

Dass es sich dabei nicht um reine Zukunftsmusik handelt, beweisen Unternehmen wie Carbon Recycling International aus Island: Dort produziert man jedes Jahr rund fünf Millionen Liter Methanol aus CO2 und Wasserstoff, der mit Hilfe von Strom aus einem Geothermie-Kraftwerk gewonnen wird. Eine semiindustrielle Versuchsanlage in Freiberg stellte aus Methanol synthetisches Benzin her. Auf vergleichbare Weise lässt sich auch Diesel produzieren, allerdings ist die Synthese etwas aufwendiger.

Stabilisierung der Stromnetze

Neben den positiven Wirkungen auf das Klima haben synthetische Kraftstoffe aus erneuerbaren Energien noch einen weiteren positiven Effekt: Für ihre Produktion kann man überschüssigen Ökostrom nutzen – und so per Sektorkopplung zwischen Mobilität und Energieerzeugung Angebot und Nachfrage im Stromnetz ausgleichen. „Wir arbeiten schon seit Jahren an der Vision einer CO2-neutralen Mobilität und sind bei Energiethemen generell sehr breit aufgestellt“, so Becker.

„IAV sieht sich darum in einer Drehscheibenfunktion: Wir wollen zwischen den Wirtschaftszweigen vermitteln und gemeinsam mit OEMs und Forschungseinrichtungen daran arbeiten, synthetischen Kraftstoffen zum Durchbruch zu verhelfen. Die Elektromobilität spielt sicher eine wichtige Rolle für eine nachhaltige Mobilität – aber wir sollten synthetische Kraftstoffe ergänzend nutzen, um mittelfristig über konventionelle Fahrzeugflotten einen Beitrag für den Klimaschutz zu leisten.“

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