Wie der größte Automobilmarkt den Mix an Antriebstechnologien fördert
Yonghui Shen, Manager of Competence Center Powertrain, IAV China

«Wir werden den konventionellen Motor noch viele Jahre brauchen – allerdings mit klaren Grenzwerten und geringerem Verbrauch, damit China halten kann, was es in Paris versprochen hat. »
— Manager of Competence Center Powertrain, IAV China
Ein Punktesystem löst die Kaufprämien für Elektrofahrzeuge, wie sie bisher galten, ab. China besinnt sich damit auch auf noch effizientere verbrennungsmotorische Antriebe. Denn wir werden den konventionellen Motor noch viele Jahre brauchen – allerdings mit klaren Grenzwerten und geringerem Verbrauch, damit China halten kann, was es in Paris versprochen hat. Der Kraftstoffverbrauch kann leicht auf den CO2-Ausstoß umgerechnet werden. Dennoch verabschiedet sich China damit nicht von der Elektromobilität.
New Energy Vehicles (NEV), also Fahrzeuge mit vollelektrischem (BEV), teilelektrischem (PHEV) und Brennstoffzellenantrieb (FCEV), sollen als Teil eines Fünfjahresplans bis 2025 weiter gefördert werden, wenn auch weniger stark. Kaufprämien werden künftig nur noch für Elektroautos mit einer Reichweite von mindestens 300 Kilometern gezahlt – bisher waren es 250 Kilometer. Liegt die Reichweite darunter, ist das Auto nicht förderungsfähig. Die Subventionen für NEVs werden in den nächsten Jahren (2020, 2021 und 2022) um jeweils zehn Prozent reduziert und gelten ab dem 22. Juli 2020 nur für Autos mit einem Basispreis unter 300.000 Yuan (circa 39.500 Euro).
Neues Segment „low fuel consumption passenger car“
Die Verkaufsquote für NEVs besteht weiter. In diesem Jahr müssen BEVs, PHEVs und FCEVs auf einen Anteil von 12 Prozent der gesamten Fahrzeugverkäufe im Land kommen. Die Quote steigt jährlich um zwei Prozentpunkte bis auf 22 Prozent im Jahr 2025.
Das neue Punktesystem setzt jedoch nicht allein auf NEVs, sondern fördert auch effizientere Verbrennungsmotoren. Obwohl es in China viele Start-ups und viele Investoren im NEV-Segment gibt, sind Autos mit Hochvolt-Batterien hinsichtlich Reichweite, Sicherheit und Robustheit noch nicht ausgereift. Statt weiterhin schnell viele E-Autos mit zum Teil unbefriedigender Qualität auf den Markt zu lassen, regt der chinesische Staat eine stärkere Forschung und Entwicklung der E-Modelle an, um diese wettbewerbsfähiger zu machen. Elektroautos können konventionelle Fahrzeuge aber nicht vollständig ersetzen. Deshalb wurde 2019 mit dem „low fuel consumption passenger car“ ein neues Segment geschaffen. Das ist eine gute Neuregelung und ein Fingerzeig in Richtung spritsparender Technologien, die unter der neuen Politik stärker honoriert werden.
Vor allem die Entwicklung von Hybridmodellen könnte von der Klassifizierung des „low fuel consumption passenger car“ profitieren. Aufgrund der Corona-Pandemie haben wir derzeit einen niedrigen Benzinpreis, damit steigt auch wieder das Interesse der Käufer an konventionellen Fahrzeugen und passt somit in das neue politische Konzept.
Sanktionen: kein Verkauf von neuen Verbrennern, keine Genehmigung neuer Werke
Das Dual-Credit-System verpflichtet Autobauer, eine bestimmte Anzahl von Punkten zu sammeln. Erreicht ein Hersteller die vorgegebene Quote nicht, kann er über eine staatliche Plattform Credits von anderen Unternehmen kaufen. Innerhalb von 90 Tagen nach Veröffentlichung des Punktestandes muss die erforderliche Anzahl an Credits nachgewiesen werden.
Bei Verletzung der Zielvorgaben treffen den Hersteller Sanktionen: Er erhält keine Homologation für Neuwagen mit Verbrennungsmotoren, darf somit keine neuen Fahrzeuge dieser Kategorie verkaufen und nicht in neue Werke investieren – eine schmerzhafte Strafe für die Autohersteller, denn mit Verbrennungsmotoren wird nach wie vor das meiste Geld verdient. Elektroautos fallen nicht unter die Strafmaßnahmen, sie dürfen trotz fehlender Credits weiter verkauft werden.
Die chinesische Dual-Credit-Policy basiert auf zwei Bewertungskriterien: CAFC (Corporate Average Fuel Consumption) Credits und NEV Credits. Erstere bewerten den Kraftstoffverbrauch und betreffen Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren. Das Ziel, das hierfür festgelegt wurde, basiert u. a. auf dem Gewicht des Fahrzeugs und der Anzahl der Sitze. Die NEVs müssen alle in China hergestellt sein und mit elektrischem Antrieb fahren. Hersteller, die jährlich mehr als 30.000 Pkws produzieren oder importieren, werden mittels NEV Credits bewertet.
«Für die chinesischen Behörden ist insgesamt wichtig, nicht nur auf batterieelektrische Antriebe zu setzen. Es müssen auch Alternativen verfolgt werden.»
— Manager of Competence Center Powertrain, IAV China
Regional unterschiedliche Lösungen
Die Hersteller sollen durch die Regulierung dazu motiviert werden, ihre verbrennungsmotorischen Fahrzeuge weiterzuentwickeln. OEM aus Deutschland sind im Bereich der konventionellen Antriebe bereits gut positioniert. Es sind schon sehr gute Motoren auf dem Markt – durch kleine Adaptionen wird bereits eine deutliche Verbrauchsreduzierung erreicht. Die chinesischen OEM hinken hier noch einige Schritte hinterher und müssen qualitativ bessere Motoren entwickeln. Wir bei IAV in China gehen derzeit in einer internen Studie der Frage nach: Mit welcher Technologie können wir die Vorgaben für den Kraftstoffverbrauch des „low fuel consumption passenger car“ erreichen? Allein mit einem modernen und effizienten Verbrennungsmotor, einem 48-Volt-Mild-Hybrid oder einem PHEV? Wir haben viele Anfragen chinesischer Hersteller für eine Konzeptentwicklung bekommen.
In der Zentralregierung wird derzeit auch die Rolle diskutiert, die synthetische Kraftstoffe wie zum Beispiel Methanol spielen könnten. Aktuell investieren erst sehr wenige chinesische OEM in Methanol. Der Kraftstoff könnte regional eingesetzt werden, da er aus Kohle gewonnen wird und in einigen Provinzen zahlreiche Kohlekraftwerke existieren. Auch wenn die synthetischen Kraftstoffe noch einen langen Weg bis zur Marktdurchdringung vor sich haben: Für die chinesischen Behörden ist insgesamt wichtig, nicht nur auf batterieelektrische Antriebe zu setzen. Es müssen auch Alternativen verfolgt werden.
Bonuspunkte für E-Autos und Kraftstoffverbrauch Chinas Streben nach einer umweltfreundlicheren Mobilität:
1. Duales Punktesystem
- Die duale Bewertung von Kraftstoffverbrauch (CAFC) und Elektroautos (NEVs) im Rahmen der „dual credits policy“ erfolgt durch das Ministerium für Industrie und Informationstechnologie (MIIT).
- Pkw-Hersteller sind verpflichtet, die Vorgaben der „dual credits policy“ einzuhalten.
- Das Punktesystem für CAFC wurde 2016 eingeführt, das für NEVs 2019.
2. Sanktionen bei Verstößen
- Pkw-Hersteller mit negativen CAFC- oder NEV-Punktewertungen müssen dem MIIT Gegenmaßnahmen vorstellen und diese einleiten, um die negativen Werte auszugleichen.
- Pkw-Hersteller, die die Regeln verletzen, haben 90 Tage Zeit, um den negativen Punktestand zu egalisieren.
3. CAFC-Punkte-Berechnung (CAFC-Punkte = Richtwert – Istwert) x
Jahresproduktion und Importvolumen aller Fahrzeuge
Vergrößerungsfaktor für NEVs | |||
---|---|---|---|
Zeitraum | 2016–2017 | 2018–2019 | 2020 |
New Energy Vehicle (BEV, PHEV, FCV) |
5 | 3 | 2 |
Energy-saving vehicle (effektiver KS-Verbrauch <⁄= 2,8 Liter/100 km) |
3.5 | 2 | 1.5 |
Korrekturfaktor | |||||
---|---|---|---|---|---|
Zeitraum | 2016 | 2017 | 2018 | 2019 | 2020 |
Korrekturfaktor | 134 % | 128 % | 120 % | 110 % | 100 % |
4. NEV-Punkte-Berechnung (NEV-Punkte = Istwert – Richtwert)
(Istwert = NEV einfacher Punktewert x Jahresproduktion und Importvolumen von NEVs)
(Richtwert = Jahresproduktion und Importvolumen von konventionellen Fzg. x NEV proportionale Konstante)
Korrekturfaktor | |||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|
Zeitraum | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | 2024 | 2025 |
Korrekturfaktor | 10 % | 12 % | 14 % | 16 % | 18 % | 20 % | 22 % |
Der Artikel erschien in der automotion 02/2020, dem Automotive Engineering-Fachmagazin von IAV. Hier können Sie die automotion kostenfrei bestellen.