„Wie können wir Menschen in Zukunft bewegen?“

Wolfgang Wukisiewitsch, Fachbereichsleiter Future Combustion Engine und Powertrain Architecture bei IAV, über den Antriebsstrang der Zukunft

Wie soll der Antriebsstrang der Zukunft aussehen? Nur wenige Fragen werden in der Automobilbranche derzeit so intensiv und teilweise auch emotional diskutiert. Die Debatte ist wichtig und unvermeidlich – schließlich fordern nicht nur immer strengere CO2– Grenzwerte und drohende Strafzahlungen die OEMs heraus wie noch nie zuvor. Hinzu kommen gesellschaftliche Trends, die die Rolle des Autos fundamental verändern werden.

Auf dem Wiener Motorensymposium hat sich IAV klar positioniert und seine Antwort auf die Frage nach dem künftigen Antriebsstrang gegeben: Wir zeigten dort einen Dreizylinder- Ottomotor mit dediziertem Hybridgetriebe (DHT), der aus unserer Sicht in Europa, Asien und den USA das Herzstück eines „Powertrains 2025“ sein kann. Damit unterstreicht IAV, dass aus unserer Sicht der Verbrennungsmotor noch viel Potenzial hat – wenn er konsequent auf Effizienz getrimmt ist und voller Innovationen steckt. Ein Beispiel dafür ist die Vorkammerzündung, die eine schrittweise Optimierung des Ottomotors ermöglicht und die wir in Wien ebenfalls präsentierten.

Das soll aber kein Abschied vom Dieselmotor sein. Aus unserer Sicht können auch CO2-arme Dieselhybride eine wichtige Rolle im Antriebsstrang der Zukunft spielen. Entscheidend ist, die Debatte um den Selbstzünder weniger emotional zu führen und nüchtern die Potenziale des Antriebs aufzuzeigen. Ein gewisser Vertrauensverlust ist leider nicht zu leugnen – dennoch bleibt wahr, dass der Diesel nach wie vor eine interessante Option ist. Darum wird IAV das Thema seinen Kunden auch weiterhin anbieten. Um die künftigen CO2-Grenzwerte zu erreichen, werden optimierte Otto- und Dieselmotoren alleine aber nicht ausreichen. Unserer Einschätzung nach wird daher in der Mitte des kommenden Jahrzehnts der optimale Mix für Fahrzeugflotten aus optimierten Verbrennungsmotoren in hybridisierten Antriebssträngen bestehen plus einem wachsenden Beitrag rein elektrischer Antriebsstränge.

Wir dürfen die Augen aber vor den anderen Megatrends nicht verschließen. Denn neben dem Gesetzgeber mit seinen CO2-Vorgaben beeinflusst auch der gesellschaftliche Wandel die Erwartungen an künftige Antriebsstränge. „Teilen statt besitzen“: Das ist eine Entwicklung, deren Anfänge wir in großen Städten derzeit beobachten können. Viele Menschen wollen gar kein eigenes Auto mehr – ihnen kommt es nur darauf an, effizient ans Ziel zu gelangen und die Zeit unterwegs optimal nutzen zu können.

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"Viele Menschen wollen gar kein eigenes Auto mehr – ihnen kommt es nur darauf an, effizient ans Ziel zu gelangen und die Zeit unterwegs optimal nutzen zu können."

Wolfgang Wukisiewitsch — Fachbereichsleiter Future Combustion Engine und Powertrain Architecture

Connectivity wichtiger als Fahrgefühl

Das große Stichwort lautet hier „Connectivity“: Infotainment, das Design der Benutzerschnittstelle und die Möglichkeit, mobil zu arbeiten – das sind die Kriterien, nach denen künftige Kunden ein Fahrzeug bewerten dürften. Spätestens mit dem Einzug des autonomen Fahrens werden die meisten von ihnen kaum noch Wert auf das Fahrgefühl legen, das darum als Differenzierungsmerkmal stark an Bedeutung verlieren wird.

Das wird die Anforderungen an den Antriebsstrang entscheidend verändern: Er wird zunehmend ein bloßes Mittel zum Zweck, eine reine Commodity. Auch hier treten Emotionen rund um den Motor zurück und machen vornehmlich rationalen Überlegungen Platz. Das bedeutet einerseits, dass wir in Zukunft eine geringere Vielfalt an Grundmotoren haben, dafür aber deutlich mehr Derivate von Motoren sehen werden – was übrigens auch im Zusammenhang mit einer möglichen Verkürzung der Entwicklungszeiten steht. Andererseits werden die Anforderungen an die verbleibenden Antriebe sich ändern: Professionelle Flottenbetreiber wie Carsharing-Anbieter oder Mietwagenunternehmen legen stärker Wert auf Aspekte wie ein effizientes Lademanagement.

Die neuen Anforderungen an Fahrzeuge haben nicht nur Auswirkungen auf den Antriebsstrang der Zukunft – sie erfordern auch von uns selbst ein völlig neues Denken. Heute vergehen zwischen dem Start einer Fahrzeugentwicklung und dem SOP mehrere Jahre. Für unsere schnelllebige Zeit bedeutet das: Man entwickelt ein Produkt, das bei seinem Verkaufsstart mit hoher Wahrscheinlichkeit an den aktuellen Anforderungen der Kunden vorbeigehen und die letzten Trends aus der digitalen Welt nicht berücksichtigen wird.

Halbierung der Entwicklungszeit nötig

Künftig müssen sich die klassischen OEMs, Zulieferer und Entwicklungspartner an die Zyklen der Consumer-Elektronik anpassen, denn sonst werden neue und agile Automotive- Player die Lücke füllen. Bei der geforderten Beschleunigung helfen uns virtuelle Entwicklungsmethoden und neue Fertigungsverfahren wie der 3-D-Druck, die bereits im Prototypenstadium Komponenten in der späteren Serienqualität liefern. Was sich damit schon heute erreichen lässt, zeigten wir in Wien anhand eines Ottomotorenkolbens.

In den nächsten Jahrzehnten werden sich unser Mobilitätsverhalten und unsere Mobilitätsgewohnheiten rasant verändern. Möglicherweise ist das Auto dann nur ein Teil in einem großen Mobilitätspuzzle – andere Puzzlesteine könnten Einräder, Miniflugzeuge oder überschallschnelle Kabinen à la Hyperloop sein. Dann bekommt die Frage nach dem Antriebsstrang der Zukunft eine viel umfassendere Bedeutung.

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