Windenergieanlagen effizienter gestalten

Im Projekt eco4wind arbeitet IAV an einer intelligenten Echtzeitbetriebsführung für moderne Windenergieanlagen

Seit rund 20 Jahren hat sich an der grundlegenden Architektur der Steuerung und Regelung von Windenergieanlagen (WEA) verhältnismäßig wenig geändert. Das Förderprojekt „eco4wind“ will die Betriebsführung der WEAs weiter voran bringen: Ziele sind eine höhere Energieeffizienz der Windenergieanlagen, eine zuverlässigere Energieversorgung und die Erschließung neuer Aufstellungsstandorte. IAV arbeitet dafür als Konsortialführer mit der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, der Ruhr-Universität Bochum und der Senvion GmbH zusammen.

Derzeit liegt der Architektur der Steuerung und Regelung von Windenergieanlagen eine Trennung zwischen stationären Betriebsführungs- und dynamischen Basisregelungsaufgaben zugrunde. Im Teillastbereich ist das primäre Regelungsziel auf das Erreichen der maximalen Energieausbeute ausgerichtet (Leistungsregelung). Die Steuerung nutzt in diesem Fall den Leistungsregler mit der Stellgröße „Generatormoment“ dazu, die Generatordrehzahl und damit die Rotordrehzahl so einzustellen, dass sich die optimale Schnelllaufzahl einstellt.

Im Volllastbereich verschiebt sich das primäre Regelungsziel. Hier steht die Stabilisierung der Rotorendrehzahl im Fokus (Drehzahlregelung). Erreicht wird dies über Stelleingriffe in den kollektiven Pitchwinkel aller Rotorblätter. Das Generatormoment wird zusätzlich so konstant eingestellt, dass die Anlage ihre Nennleistung einspeist. Zu den primären Zielstellungen in den beiden Betriebsbereichen „Teillast“ und „Volllast“ kamen im Lauf der Zeit noch sekundäre Regelziele hinzu, um die Belastung diverser kritischer Bauteile zu reduzieren. Diese Regelungsstrategien sind über die Jahre gewachsen und weisen deshalb einen hohen Komplexitätsgrad auf, der Veränderungen erschwert.

Potenziale bleiben ungenutzt

Dieser Ansatz könnte sich für moderne und noch leistungsfähigere Anlagen in Zukunft als wenig geeignet erweisen. „Er führt dazu, dass ihre Potenziale nicht optimal genutzt werden können“, erklärt Dr. Axel Schild, Projektleiter bei IAV für eco4wind. „Die Projektpartner wollen darum die neuesten Forschungsergebnisse aus mehreren Spezialgebieten der Regelungs- und Automatisierungstechnik nutzen, um die Betriebsführung von Windenergieanlagen weiter zu optimieren.“

eco4wind strebt die fundamentale Überarbeitung der gegenwärtigen WEA-Steuerungs- und Regelungsarchitektur an. Im Mittelpunkt steht dabei die Erweiterung der bestehenden Anlagenautomatisierung um einen neuen Kernbaustein: eine innovative Echtzeitbetriebsführung auf Basis nicht linearer modellprädiktiver Regelung. Diese Technologie hat sich in anderen Branchen für die Echtzeitbetriebsführung von Großanlagen bereits im Einsatz bewährt – Echtzeitbetriebsführung gehört beispielsweise in der Prozessindustrie seit Jahrzehnten zum Stand der Technik. Wegen der speziellen Anforderungen von WEAs lassen sich die bestehenden Lösungen aber nicht einfach auf die Windenergiebranche übertragen.

Baukastensystem erlaubt individuelle Anpassung

Die funktionale Ausgestaltung der Echtzeitbetriebsführung für WEAs orientiert sich an einem für die Automobilindustrie typischen Baukastensystem, wodurch sich Funktionalitäten nachträglich und individuell für einzelne Anlagen und Hersteller zuschneiden lassen. Die Echtzeitbetriebsführung soll eine vollkommen neue und intelligente Art der Planung und Führung der Betriebsdynamik ermöglichen. „Das kommt tatsächlich einer technischen Revolution gleich, weil sich mit der Echtzeitbetriebsführung die konventionelle Regelung von Drehzahl und Leistung sowie von Turm- und Triebstrangdämpfung ablösen lässt“, so Schild. „Das führt dazu, dass Betreiber ihre bestehenden Anlagen in Zukunft deutlich wirtschaftlicher nutzen können und zukünftige Anlagen aufgrund einer besseren Regelung materialsparender ausgelegt werden können.“

Stromgestehungskosten sinken um zwei Prozent

Durch einen gesteigerten Energieertrag bei gleichzeitig gesunkenen Materialkosten erscheint eine Verringerung der Stromgestehungskosten um mindestens zwei Prozent realistisch. Zudem nimmt die Zuverlässigkeit der Energieversorgung aus WEAs zu: Der Bedarf an Regelenergie sinkt, bzw. WEAs werden sogar in der Lage sein, selbst Regelenergie zu liefern. Hinzu kommt, dass sich dank der Ergebnisse von eco4wind künftig neue Standorte für WEAs erschließen lassen – etwa durch bisher nicht realisierbare Anlagenkonzepte.

Die fünf Partner bringen ihre spezifischen, komplementären Erfahrungen und Expertenwissen in das Projekt ein. „Neben neuen methodischen Grundlagen sowie der Erweiterung der bestehenden Theorie geht es dabei um innovative Steuerungskonzepte und echtzeitfähige Algorithmen“, berichtet Christian Schulte, Leiter der bearbeitenden IAV-Abteilung. „Anschließend werden die neuen Komponenten in eine reale Plattform integriert und in Simulationen und Feldtests erprobt.“

Im Lauf des Projektes wollen die Partner drei zentrale Ergebnisse erarbeiten: eine vollständig ausgestaltete und als Prototyp umgesetzte Infrastruktur für die Automatisierung von WEAs (Hard- und Software); eine vollständig ausgestaltete prototypische Entwicklungsumgebung, mit der Endkunden die neue Echtzeitbetriebsführung ihrer WEAs umsetzen können; und Erprobungsdaten, die von einer mit den neuen Methoden betriebenen WEA stammen.

Das Projekt eco4wind startete im Januar 2017 und hat eine Laufzeit von drei Jahren. Es wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie mit insgesamt rund drei Millionen Euro gefördert.

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