Fernangriffe stellen eine der größten Bedrohungen für die Cybersicherheit von Fahrzeugen dar. Um zu überprüfen, ob ein Fahrzeug ausreichend gegen solche Angriffe geschützt ist, muss es von der Außenwelt isoliert werden. So können selbst erzeugte Funksignale versuchen, die Schutzfunktionen des Fahrzeugs zu überwinden. Zu diesem Zweck hat IAV am Standort Gifhorn eine Testkammer eingerichtet, die hermetisch von Funknetzen abgeschirmt ist.
In die „Abschirmkammer“ passen Fahrzeuge bis zur Größe von mittelschweren Nutzfahrzeugen wie der größten Version eines VW Crafter oder Ford Transit. Für IAV bedeutet dieser Schritt einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil. Ein weiterer Pluspunkt: Da keine Funkwellen nach innen dringen, entweichen auch keine nach außen. So wird sichergestellt, dass während der Tests keine Störsignale entstehen, die den Mobilfunkempfang oder andere Teilnehmer in der Umgebung beeinträchtigen könnten.
Wir haben mit Cyber-Sicherheitsexperte Marco Siebert gesprochen und einen Einblick in die neue Testumgebung gewonnen.
Was genau ist diese Abschirmkammer?
Sie ist Teil unseres Cyber-Sicherheitslabors. Mit der Kammer haben wir nun die Möglichkeit, Penetrationstests, sogenannte Pentests, drahtlos am gesamten Fahrzeug durchzuführen. Bisher war dies nur für einzelne Komponenten wie Steuergeräte möglich. Mit Penetrationstests überprüfen wir die IT-Infrastruktur und Anwendungen von Komponenten und Fahrzeugen auf potenzielle Schwachstellen, die Angreifer für Cyberangriffe ausnutzen könnten. Im Fokus stehen dabei Funkverbindungen als potenzielle Einfallstore für Cyberangriffe. Mit der großen Abschirmkammer, die das Cybersicherheitslabor erweitert, haben wir jetzt die Möglichkeit, das Fahrzeug vollständig von Funkwellen zu isolieren und es mit unseren eigenen manipulierten Signalen zu testen, ohne öffentliche Netzwerke zu stören.
Was kann in der Testumgebung simuliert werden?
Wir können eine Vielzahl von Szenarien simulieren, die für die Cybersicherheit von Fahrzeugen relevant sind. Der Schwerpunkt liegt auf Angriffen auf die Fahrzeugkommunikation, sowohl über Mobilfunknetze als auch über andere drahtlose Verbindungen wie WLAN und Bluetooth. Wir können auch GPS-Spoofing und andere Signalmanipulationen testen. Darüber hinaus ermöglicht uns die Abschirmkammer, Umgebungen ohne externe Funkstörungen zu schaffen, sodass wir Fahrzeugsysteme isoliert und unter kontrollierten Bedingungen testen können.
Welche Vorteile bietet diese neue Testumgebung?
Die Kammer ist ein echtes Alleinstellungsmerkmal gegenüber unseren Mitbewerbern. Die Durchführung von mobilfunkbasierten Pentests auf Fahrzeugsystemebene ist in dieser Form von den meisten anderen Unternehmen nicht realisierbar. Im Zweifelsfall klopfen Behörden oder Mobilfunkunternehmen schnell an die Tür, da ohne Abschirmung eine große Störquelle entsteht. Die Abschirmkammer kann jedoch auch für andere Zwecke genutzt werden, beispielsweise zum Testen von 5G-Netzen oder Software-Over-the-Air-Updates (OTA).
Technische Daten (als Box/Tabelle):
Zertifizierung nach DIN-EN 50147-1
- Fahrzeuge bis zu einer Länge von 7 m, einer Breite von 2,5 m und einem Gewicht von 5 t
- Kamerasystem zur Überwachung des Innenraums von außen
- Zusätzliche RFI-Falle für den Einsatz weiterer Messgeräte mit externem Zugriff