In allen Lagen emissionskonform

Eine motornahe Abgasnachbehandlung senkt die Dieselemissionen – mehrere Varianten sind möglich

Der Dieselmotor muss künftig noch sauberer werden und die strengen EU-6-Grenzwerte unter allen Umständen sicher einhalten. IAV hat in einer Konzeptstudie viel versprechende Ansätze untersucht: Durch verschiedene, besonders motornahe Anordnungen der Abgasnachbehandlung erreichen DOC und DPF/SCR schneller ihre optimale Arbeitstemperatur, was selbst bei Fahrten im niedrigen Lastbereich zu deutlich sinkenden Emissionen führt.

Maximal 80 Milligramm Stickoxide dürfen Dieselmotoren gemäß EU6-Norm pro Kilometer noch ausstoßen – und das nicht nur unter den gesetzlichen Rahmenbedingungen im Projektzyklus, sondern auch im Hinblick auf die schärfer werdenden RDE-Vorgaben: „Unser Ziel ist, in Zukunft die Grenzwerte in allen Fahrsituationen einzuhalten, die in der Praxis auftreten können“, sagt Matthias Diezemann, Technologiescout im Bereich Powertrain und Power Engineering bei IAV. „Das betrifft auch diejenigen Nutzungsszenarien, die durch die aktuelle RDE-Gesetzgebung noch ausgeschlossen werden.“ Hinzu kommt: Künftige Antriebsstränge mit Dieselmotor müssen in der Lage sein, noch deutlich schärfere Grenzwerte als EU6 einzuhalten. Gegenüber einem modernen Ottomotor darf sich der Selbstzünder künftig also keinerlei Schwächen mehr erlauben.

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Schneller auf Betriebstemperatur

Dazu muss die Abgasnachbehandlungsanlage einen wesentlichen Beitrag leisten – und zwar im gesamten Bereich von geringer bis hoher Last. Dabei spielen die Temperaturen im Oxidationskatalysator (DOC) sowie im kombinierten Dieselpartikelfilter und SCR-Katalysator (SCRF) eine entscheidende Rolle: Je eher sie ihre optimale Betriebstemperatur erreichen und je besser sie diese halten, desto schneller und zuverlässiger sinken die Emissionen. In modernen aufgeladenen Motoren konkurriert die Abgasnachbehandlung (ANB) allerdings mit dem Turbolader um die Wärme im Abgasstrom. Normalerweise sitzt seine Turbine vor der ANB, sodass die Temperatur im Abgas um 100 bis 150 Kelvin sinkt, bevor es DOC und SCRF erreicht.

Hier setzten die IAV-Entwickler in ihrer Konzeptstudie an und verlagerten die ANB näher an den Motor. Die radikalste Lösung: Turbolader und die ANB tauschen die Plätze. So durchströmt das Abgas zuerst DOC und SCRF, bevor es in die Turbine gelangt. Diese Maßnahme führt zu deutlichen Verbesserungen: „Beim Kaltstart und im Betrieb bei geringer Last wärmen sich die Komponenten der ANB viel schneller auf beziehungsweise bleiben auf einer höheren Temperatur“, berichtet Diezemann. „Nach einem Kaltstart dauert es nur noch wenige Sekunden, bis die Emissionen des Fahrzeugs im grünen Bereich sind.“ Alleine durch die veränderte Anordnung von Turbolader und ANB sinkt der NOx-Ausstoß im Schwachlastbetrieb auf etwa ein Fünftel ab, verglichen mit einem herkömmlichen EU-6-Fahrzeug.

Der Emissionsvorteil hat aber auch eine Schattenseite. Zum einen können kleine Partikel aus dem DOC die Turbine des Turboladers beschädigen – wie groß dieses Problem tatsächlich ist, müssen Dauerlaufversuche zeigen. Zum anderen fehlt dem Turbolader nach dem Start zunächst diejenige Energie, die die ANB auf ihre Betriebstemperatur erwärmt. „Die Fahrdynamik ist bei kaltem Motor unzureichend und muss deshalb durch geeignete Abhilfemaßnahmen verbessert werden“, erklärt Diezemann. „In einem hybridisierten Antriebsstrang kann die E-Maschine das benötigte Drehmoment beisteuern. Ansonsten könnte auch ein elektrischer Verdichter diese Aufgabe übernehmen.“ In jedem Fall ist eine der beiden Möglichkeiten erforderlich, falls sich ein OEM für die Option „ANB vor Turbolader“ entscheidet.

Unterschiedliche Topologien möglich

Allerdings ist diese Radikallösung nicht die einzige Möglichkeit, die ANB näher an den Motor zu rücken. In ihrer Konzeptstudie haben die IAVExperten mehrere Topologien untersucht und deren Auswirkungen miteinander verglichen. Eine der untersuchten Alternativen besteht darin, die ANB an ihrem angestammten Platz zu belassen und den Turbolader beim Kaltstart nur so lange mit einem Bypass zu umgehen, bis DOC und SCRF auf Betriebstemperatur sind. Dadurch kommt die ANB schneller auf Betriebstemperatur, ohne die Nachteile einer kompletten Vorturboanordnung. Denkbar ist auch, in diesen Bypass einen zusätzlichen DOC zu integrieren. „Er bewirkt einen schnelleren HC/CO-Light-off und eine schnellere NO2-Produktion nach Kaltstart“, so Diezemann. „Das wirkt sich positiv auf den Umsatz im SCRF bei niedrigen Abgastemperaturen aus.“ Eine weitere Option ist es, den DOC vor und den SCRF hinter dem Turbolader zu platzieren.

„Wir haben für jeden OEM mit seinem jeweiligen Fahrzeugportfolio eine Lösung im Angebot“, fasst Diezemann zusammen. „Durch die motornahe Anordnung kann die ANB bei Dieselmotoren künftig mit gleichermaßen hoher Effizienz in allen erdenklichen Fahrsituationen betrieben werden. Die Ergebnisse der Konzeptstudie beruhen auf Messungen an einem Zweiliter-Vierzylinder-Dieselmotor und Simulationsrechnungen. Der Ansatz eignet sich für alle Fahrzeugklassen ab dem C-Segment und lässt sich relativ schnell in Serie bringen.

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