Frontloading bei der Konzeptoptimierung von Getrieben

IAV hat das Simulationstool Velodyn erweitert – detaillierte RDL-Analysen (Real Driving Load Analysis) schon in frühen Entwicklungsphasen

Immer öfter werden Getriebe heute in mehreren Fahrzeugen und Fahrzeugvarianten eingesetzt. Dabei unterscheiden sich die auftretenden Belastungen deutlich für die jeweiligen Einsatzfälle. Umso wichtiger ist es, frühzeitig im Entwicklungsprozess detaillierte Simulationen späterer Einsatzszenarien unter realen Fahrbedingungen durchführen zu können. IAV hat darum die Modelle des Längsdynamik-Simulationstools Velodyn (Vehicle Longitudinal Dynamics) weiter verfeinert, um schon in der Konzeptphase beispielsweise die Belastungen der Lager oder der Zahnräder bei der längsdynamischen Zyklussimulation berechnen zu können.

„Es ist heute keine Seltenheit mehr, dass ein Getriebe, das ursprünglich für einen klassischen Pkw entwickelt wurde, auch in einem deutlich anderen Fahrzeugkonzept zum Einsatz kommen soll – etwa in einem Sportwagen, in einem Pick-up oder sogar in einem Non-Road-Fahrzeug“, erklärt Dr. Klaus von Rüden, Abteilungsleiter Antriebsstrangkonzepte und Getriebeelektronik bei IAV. „Das kann zu Versagen führen, wenn die dort auftretenden Beanspruchungen für manche Komponenten des Getriebes zu hoch sind.“

In den letzten Jahren standen die IAV-Experten mehrfach vor dieser Herausforderung, und so entschlossen sie sich, detaillierte Simulationen für verschiedene Anwendungen bereits in der Konzeptphase mit Velodyn durchzuführen. Bei einer klassischen Vorgehensweise werden die Belastungen des Getriebes erst beim Getriebedesign berechnet und bei der Dauerlauferprobung abgesichert – das „Frontloading“ mithilfe von Velodyn ermöglicht jetzt erste Abschätzungen bereits ganz am Anfang des V-Prozesses und verschafft der Konstruktion somit wertvolle Zeit, um auf Änderungsanforderungen zu reagieren. Durch diesen frühen und durchgängigen Einsatz von Simulationen leistet der neue Ansatz auch einen wichtigen Beitrag zur Digitalisierungsstrategie der Automobilbranche.

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Auf den Anwendungsfall optimieren

Gemeinsam mit den Hardware-Designern von IAV haben von Rüden und das Simulationsteam mit Dr. Felix Matthies, Fachreferent für Antriebsstrang-Simulation und Fahrverhalten bei IAV, neue Modelle entwickelt, die zahlreiche Vorhersagen ermöglichen: Welche Kräfte treten mit welcher Häufigkeit im Getriebe auf? Bei welchen Anwendungsszenarien kommt es zu Spitzenbelastungen? Werden Lager oder Kupplungsbeläge übermäßig belastet? „So erkennen wir bereits in der Konzeptphase die unterschiedlichen Anforderungen, die sich aus den diversen Einsatzszenarien des Getriebes unter realen Bedingungen ergeben“, sagt Matthies. „Diese genaue Kenntnis jedes Anwendungsfalles ist entscheidend, um daraufhin optimieren zu können. Der Konstrukteur kann aufgrund der Simulationen beispielsweise ein stärkeres Lager oder zusätzliche Kupplungsscheiben einsetzen.“ Die Vorgehensweise ist auch darum so attraktiv, weil man dadurch Sicherheiten reduzieren und so den Materialeinsatz und die Produktionskosten senken kann.

Als Input benötigt Velodyn neben detaillierten Angaben zu den Antriebsstrangkomponenten die wesentlichen Parameter des Modells – zum Beispiel die Fahrzeugmasse, die Charakteristik des Verbrennungsmotors, den Fahrwiderstand, das maximale Drehmoment und die Radradien, die sich bei Bedarf auch einfach variieren lassen. Aus diesen Vorgaben kann das Tool im Simulationsmodus RDL realistische Situationen abbilden, darunter auch Extreme wie Fahrten auf der Rennstrecke oder auf Sand mit voll eingeschlagenen Rädern. Am Ende erhalten die Entwickler detaillierte Informationen über Lagerkräfte, die Wirkungsgrade einzelner Komponenten und Lastkollektive.

Da Velodyn von der reinen Längsdynamikberechnung auf ein Zweispurmodell erweitert wurde, liefert das Tool jetzt auch Querbelastungen – etwa des Differenzials in Kurvenfahrten. „Das ist auch für Untersuchungen im Rahmen von RDE wichtig“, so von Rüden. „Die komplexen RDETestzyklen beinhalten auch Kurven, während das Fahrzeug bisher auf der Rolle nur geradeaus fahren musste. Velodyn ist damit jetzt auch für RDE gerüstet.“

Neue Features einsatzbereit

Die neuen Features sind seit Anfang 2016 einsatzbereit, haben sich bereits in mehreren Kundenprojekten bewährt und werden aktuell in die Velodynbibliothek überführt, um sie zukünftig allen Nutzern zur Verfügung zu stellen, die das Tool vom IAV-Partner Exothermia beziehen können. „Damit bietet Velodyn ein echtes Alleinstellungsmerkmal, das sicher für viele unserer Kunden interessant ist“, sagt Matthies. „Und es zeigt erneut unsere führende Position bei den Getriebemodellen, die sogar die Getriebeapplikation am Schreibtisch erlauben.“

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