Softwarebauplan per Knopfdruck

Je mehr Funktionen in Automobilsteuergeräten vereint werden, desto schwieriger und aufwendiger ist deren Integration. Eine neue IAV-Plattform ermöglicht Zulieferern die Einbindung in zwei Tagen – absolut einmalig im Markt. Im nächsten Schritt soll das Tool als Webdienst ausgerollt werden.

IAV Software

Weniger über das Fahrzeug verteilte Steuergeräte, stattdessen zentrale Computer mit hoher Rechenleistung: So sieht die IT-Architektur im Auto künftig aus. Auf diese Weise kann beispielsweise ein zentraler Domänencontroller zahlreiche Funktionen aus den Bereichen Powertrain und Fahrwerk übernehmen und so eine kleine zweistellige Anzahl konventioneller Steuergeräte ersetzen. Grundlage dafür sind leistungsstarke Mehrkernmikroprozessoren sowie Echtzeitbetriebssysteme, die Multitasking ermöglichen.

Viele Zulieferer tragen einzelne Funktionen bei, die später auf dem Domänencontroller laufen. Etliche von ihnen brauchen Input-Werte (beispielsweise Raddrehzahl und Geschwindigkeit), andere müssen Daten abspeichern (zum Beispiel zur Dokumentation von Emissionswerten). Die Softwarearchitektur muss sicherstellen, dass alle Informationen zuverlässig an die einzelnen Funktionen verteilt werden. „Das müssen wir bereits während der Entwicklung berücksichtigen“, erklärt Stephan Reichelt, Abteilungsleiter Vehicle Software Solutions bei IAV.

«Es ist ganz ähnlich wie bei einem Hausbau: Schon bei der Planung muss man Rohre und Kabel richtig platzieren, damit später Wasser, Strom und Daten fließen können.»

Stephan Reichelt — Abteilungsleiter Vehicle Software Solutions bei IAV

Zwei Tage statt sechs Wochen

Softwareentwickler:innen nutzen dafür AUTOSAR (Automotive Open System Architecture), eine speziell an die Bedürfnisse der Automobilindustrie angepasste Version der XML-Beschreibungssprache. Umfangreiche Dokumente illustrieren unter anderem, welche Funktionen es überhaupt gibt, welche Schnittstellen sie verbinden, wie schnell bestimmte Funktionen ausgeführt werden müssen und wie sie voneinander abgegrenzt werden sollen. Für einen leistungsstarken Domänencontroller kommen schnell mehr als 100 Megabyte an reinem Text zusammen, den die Entwickler manuell erstellen müssen.

Das kann vier bis sechs Wochen dauern und muss für jede neue Integrationsstufe der Software neu in Angriff genommen werden. Um diesen Aufwand spürbar zu verringern, hat IAV für einen Kunden eine AUTOSAR-Toolchain entwickelt. Sie nimmt den Ingenieur:innen die manuelle Arbeit bei der Erstellung der AUTOSAR-Dokumente ab und reduziert die Bearbeitungszeit von mehreren Wochen auf nur noch zwei Tage. „Wir verringern den Aufwand um über 90 Prozent“, rechnet Reichelt vor.

Im ersten Schritt nimmt das Werkzeug die von den Zulieferern bereitgestellten Informationen zu den einzelnen Funktionen entgegen. Typische Formate sind Textdokumente, ExcelFiles, CSV-Dateien oder andere AUTOSARDokumente. Das Tool lässt sich aber auch an weitere Formate anpassen.

Webbasierte Plattform geplant

Danach folgt eine Prüfung der Input-Daten: Welche Funktionen reden miteinander? In welchem Format müssen die Daten übergeben werden? Stehen die gewünschten Daten zur Verfügung? Stellt das Tool hier ein Problem fest, wird es sofort gemeldet und kann innerhalb kurzer Zeit korrigiert werden. Im nächsten Schritt werden die Input-Daten in ein spezielles Modell überführt und in einer Datenbank gespeichert.

„Wir legen die Eingangsdaten versioniert ab“, berichtet Reichelt. „Das Modell ermöglicht Datentrennung und -integration, sodass man beispielsweise parallel an zwei Varianten arbeiten und diese später zusammenführen kann.“ Außerdem lassen sich kundenspezifische Besonderheiten durch eine Erweiterungsschnittstelle direkt im Datenmodell hinterlegen. Am Ende erzeugt das IAV-Tool automatisch ein AUTOSAR-Dokument, das die Softwarearchitektur beschreibt – in beliebigen Ausgabeformaten.

Seit 2020 ist das neue Tool im Einsatz und hat die Erwartungen des Kunden übererfüllt. „Einerseits soll es für ein weiteres Steuergerät genutzt werden, andererseits gibt es auch aus anderen Abteilungen unseres Kunden Anfragen nach der neuen Lösung“, so Reichelt.

«Kein Wunder: Unser Tool ist einzigartig, es gibt nichts Vergleichbares auf dem Markt.»

Stephan Reichelt — Abteilungsleiter Vehicle Software Solutions bei IAV

Derzeit entwickelt IAV das Werkzeug weiter: Künftig soll es als webbasierte Plattform zur Verfügung stehen, sodass alle Beteiligten neue Dokumente zu ihren Funktionen jederzeit hochladen können. Neue AUTOSAR-Dokumente ließen sich dann sogar innerhalb weniger Stunden erzeugen. Unabhängig davon arbeitet IAV im Rahmen einer Eigenentwicklung an der Bereitstellung zusätzlicher Werkzeuge für den AUTOSAR-Entwicklungsprozess.

 

Hier können Sie alle Artikel der neuen Inware lesen: https://www.iav.com/news/open-source-und-erdbeeren/

Download: https://www.iav.com/app/uploads/2023/05/Inware_02_de_2023.pdf