Immer im Fluss

Die zunehmende Zahl und Komplexität der Fahrfunktionen erfordert Entwicklungswerkzeuge, die den Applikateur entlasten und bewährte Prozesse unternehmensweit verfügbar machen. Das Werkzeug „INCA-FLOW“ wurde zu diesem Zweck entwickelt: Es führt zu kürzeren Entwicklungszeiten, sinkenden Kosten sowie einer höheren und reproduzierbaren Qualität der Applikation. Seit zehn Jahren kooperieren IAV und ETAS bei der Weiterentwicklung und beim Vertrieb des Werkzeugs, das ständig um neue Features erweitert wird.

Die Komplexität von Applikationsprojekten hat in den vergangenen Jahren dramatisch zugenommen – durch die zunehmende Anzahl an Funktionen sowie die wachsende Vielfalt von Fahrzeugmodellen und -derivaten. Eine rein manuelle Applikation ist heute nicht mehr möglich, schließlich müssen in modernen Steuergeräten mehr als 60.000 Parameter bedatet werden. Aus diesem Grund startete IAV 2006 die Entwicklung von INCA-FLOW, das heute bei rund 100 OEMs und Zulieferern weltweit im Einsatz ist.

Mit dem Werkzeug können Applikateure in kurzer Zeit Kalibrierungssequenzen grafisch beschreiben und auf der angeschlossenen Infrastruktur ablaufen lassen. Selbst Neulinge im Team arbeiten nach kurzer Zeit produktiv, weil Best-Practice-Beispiele automatisch dokumentiert werden und allen Mitarbeitern zur Verfügung stehen. Außerdem bleibt durch die Standardisierung der Prozesse wertvolles Expertenwissen im Unternehmen. „Im Vergleich zur manuellen Applikation erzielt INCA-FLOW einen Effizienzgewinn von 30 bis 80 Prozent“, sagt IAV-Produktmanager Sven Meyer.

Im Vergleich zur manuellen Applikation erzielt INCA-FLOW einen Effizienzgewinn von 30 bis 80 Prozent.

Sven Meyer — IAV-Produktmanager

Seit 2009 arbeiten IAV und ETAS beim Vertrieb und bei der Weiterentwicklung des Werkzeugs zusammen. ETAS ist dabei für Marketing, Verkauf, First-Level-Support und das gemeinsame Anforderungsmanagement verantwortlich, während sich IAV vor allem um die Umsetzung von Änderungen und die Entwicklung neuer Features kümmert. Durch ihre Zusammenarbeit können die beiden Partner ihre jeweiligen Stärken voll ausspielen: IAV seine Applikationsexpertise, ETAS sein weltweites Vertriebsnetz und seine hohe Marktdurchdringung.

Objektive Bewertung des Fahrverhaltens

Zwei weitere neue INCA-FLOW-Add-ons ermöglichen eine objektive Bewertung des Fahrverhaltens von Motor bzw. Getriebe. „Bisher wurde zum Beispiel das Ruckeln beim Gangwechsel vom Fahrer auf einer Skala von eins bis zehn subjektiv bewertet“, erklärt Meyer. „Die Add-ons nutzen hingegen einen Beschleunigungssensor, um reproduzierbare und objektive Daten zu erhalten.“ Die Zusatzinformation erscheint sofort auf der bekannten INCA-FLOW- Oberfläche, sodass sich das Fahrverhalten in Echtzeit bewerten und verbessern lässt. Beispielsweise kann der Applikateur die Bedatung so lange iterativ verändern, bis der Fahrkomfort im Antriebsstrang optimal ist.

„In einer Studie haben wir untersucht, wie die objektiven Bewertungen mit dem subjektiven Empfinden von Probanden korrelieren und dabei eine gute Übereinstimmung festgestellt“, so Meyer. „Auch die Reaktionen vom Markt sind erfreulich: Das Produkt kommt bei unseren Kunden sehr gut an.“ Dazu dürfte auch die einfache Installation beitragen: Die Rüstzeit für den Einbau des Beschleunigungssensors liegt bei nur rund 30 Minuten, auch die Konfiguration nimmt nur wenig Zeit in Anspruch.

Kostengünstige Anbindung von Prüfständen

Gute Noten hat auch die Motor- und Rollenprüfstandsanbindung von den Kunden bekommen. Mit ihr lassen sich Prüfstände herstellerunabhängig über CAN oder ASAP3 mit INCA und INCA-FLOW verbinden. „Viele unserer Kunden verfügen über keine ausgefeilte Prüfstandssteuerung“, erklärt Rajesh Reddy, bei ETAS Produktmanager für INCA-FLOW. „Sie sind froh über die kostengünstige Anbindung, die unser Add-on ihnen ermöglicht.“ Zudem winkt ihnen ein Effizienzgewinn: Sie können ein einmal erstelltes Skript an jedem ihrer Prüfstände nutzen, und dank dynamischer Online-DoE-Ansätze wird die Anzahl der erforderlichen Tests reduziert. Der Bedarf an einer solchen Lösung ist groß, wie die vielen Kundenanfragen und das positive Feedback belegen.

Echtzeit-Informationen über RDEVersuchsfahrten

Zum Erfolg der Kooperation trägt auch das neue Softwarewerkzeug INCA-RDE bei. Es überprüft in Echtzeit, ob eine Fahrt RDE-konform ist. „Normalerweise werden die Messungen aufgezeichnet und erst im Nachhinein bewertet, etwa in Bezug auf den Stadt-, Land- und Autobahnanteil, die Umgebungstemperaturen oder Geschwindigkeits- und Beschleunigungsbereiche“, erklärt Reddy, der auch Produktmanager für INCA-RDE ist.

Es unterstützt den Fahrer in Echtzeit mit Informationen zum Set-up, zur Umsetzung der RDE-Vorgaben und zu den aktuellen Messwerten. So lassen sich die RDE-Fahrten optimal nutzen.

Rajesh Reddy — ETAS Produktmanager für INCA-FLOW

Weil die EU bei der RDE-Umsetzung weit vorne ist, ist im Produkt derzeit die europäische Gesetzgebung implementiert. Bald wird es Zusatzmodule für andere Regionen wie China, Indien und die USA geben.

Da sowohl die Steuergeräte-Parameter als auch die PEMS-Daten in INCA-RDE zusammengebracht werden, können die Nutzer alle Werte in der gleichen Umgebung betrachten und sie in einem gemeinsamen Datenfile zur Analyse speichern. In Zukunft soll das Produkt sogar mögliche Ursachen von Emissionspeaks erkennen, sodass bereits während der Fahrt die Bedatung etwa der Abgasrückführung oder der Einspritzung angepasst werden kann.

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INCA-FLOW wird über den IAV-Kooperationspartner ETAS vertrieben.

„Wir können auf eine sehr erfolgreiche Zusammenarbeit zurückblicken“, fasst Reddy das erste Jahrzehnt der Kooperation zusammen. „IAV und ETAS haben eine innovative Lösung auf den Markt gebracht, die im Lauf der Jahre immer umfangreicher wurde und von den Kunden sehr gut angenommen wird.“ Er sieht großes Zukunftspotenzial – etwa durch weitere Add-ons – und will INCA-FLOW als Applikationsstandard etablieren. „Es geht auch schon in diese Richtung, was man an der großen Zahl der Kunden ablesen kann.“ Auch für Meyer sind noch viele neue Funktionen denkbar, darunter ein Add-on für die Applikation in der Simulation und andere Formen der Modellierung von Kalibrierungssequenzen: „Ich sehe für INCA-FLOW ebenfalls noch ein Riesenpotenzial im Markt.“


Der Artikel erschien in der automotion 02/2019, dem Automotive Engineering-Fachmagazin von IAV. Hier können Sie die autmotion kostenfrei bestellen.


 

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